Narcopolis
bekommt dir gut.«
•••
Sie ließen ihn gut verschnürt liegen, und er würgte noch, als es nichts mehr zu erbrechen gab. Sie ließen ihn bei geöffneter Tür auf dem Boden liegen und gingen zur Shuklaji Street, wo sie in Zeitungspapier gewickelte Jalebis aßen, die an diesem Tag ungewöhnlich gelb waren, dottergelb und sehr süß, heiß aus siedendem Öl. Sie standen in der Menge, drei zufriedene Männer mit kauenden Kiefern, die kein Wort sprachen, solange sie aßen. Salim aß die Jalebis von außen nach innen, sparte sich den mittleren Knoten bis zum Schluss auf, da der am dicksten mit Zuckersirup überzogen war. Nach den Jalebis gönnten sie sich noch ein Glas Masala-Tee, und dann waren sie so weit, liehen sich von Kaanyas Bruder ein Taxi und fuhren zu Khalids Haus. Sie warteten, bis der Sohn in blauen Shorts und blauem Hemd nach Hause kam, die große Schultasche randvoll mit Büchern, schnappten ihn, zerrten ihn in den Wagen und – das war Pasinas Idee – ließen die Schultasche vor dem Haus auf dem Bürgersteig liegen.
Salims Freunde fuhren den neunjährigen, asthmatischen Jungen, der viel zu gut erzogen war, um Angst zu haben, ins etwa sechs, sieben Stunden entfernte Pune, stiegen in einem Hotel an der MG Road ab und gingen während der nächsten Tage ins Kino, manchmal in zwei, drei Vorführungen hintereinander. Sie sahen sich
Star
mit Kumar Gaurav an, die Musik von Biddu. Nicht gut, sagte Pasina am Telefon zu Salim. Budhu sollte bei dem bleiben, womit er sich auskennt: Tina Charles und Disco. Hindimusik kann er nicht. Die Songs sind der reinste Dinchak, kein Herz, Yaar. Selbst das Bachcha war gelangweilt.
»Biddu.«
»Mann, Yaar, Sallu, ich weiß, wie er heißt. Budhu, Biddu, völlig egal, ist trotzdem blöd.«
Sie sahen sich
Desh Premee
mit Kaanyas und Salims Lieblingsschauspieler Amitabh Bachchan an. Amitji mit einem Meesha, und was für einem, sagte Pasina, ein Ding auf der Oberlippe wie eine dürre, tote Raupe, sogar Kaanya war enttäuscht. Pasinas knapper Kommentar fiel vernichtend aus: Glaub mir, das wird ein totaler Flop, und zwar nur wegen diesem Choothiya-Schnurrbart. Sie gingen in
Namak Halal
und
Shakti
, beide mit Amitabh und Smita Patil, die Pasina einen dunkel aufsteigenden Stern nannte, eine Wendung, die er in einer Zeitschrift gelesen hatte. Die beiden Filme erhielten von den Kidnappern gute Kritiken. Selbst dem Bachcha haben sie gefallen, sagte Pasina. Eine halbe Portion, kann kaum im Stehen pissen, aber hättest ihn sehen sollen, wie der die Smitaji angestiert hat: mit Augen wie Scheinwerfern.
Ein, zwei Tage, nachdem sie sich den Jungen geholt hatten, fing Salim an, Khalid anzurufen, oft mehrmals und zu den ungewöhnlichsten Zeiten, um ihm das Neuste mitzuteilen. »Bachcha hat Asthma, der Arme, den Kleinen darf man nicht aus den Augen lassen.« »Sieht aus, als schlüge der Junge ganz nach dir, ist störrisch wie ein Maulesel.« »Isst viel, viel zu viel, wenn du mich fragst.« »Bitte«, antwortete Khalid. Mehr Zeit blieb ihm nicht, ehe Salim wieder auflegte. Als die Kidnapper ihm dann fünf Tage nach der Gefangennahme des Jungen die Gelegenheit zum Reden gaben, hatte Khalid viel zu sagen, und es dauerte keine Woche, da konnte Rashid seine Khana wieder aufmachen.
8 Eine chemische Einsicht
Anfangs rauchte sie weiter Opium und griff nur gelegentlich zu Garad, aber bald – es überraschte sie, wie bald schon – rauchte sie nur noch Garad. Sie machte den Kunden eine Pfeife und hatte keine Lust mehr, selbst eine zu rauchen. Plötzlich zog offenbar alle Welt das Pulver vor, die Kunden, die Pfeifenbereiter, selbst Rashid, der Garad hasste, es aber trotzdem rauchte. Dann brachte Salim ihr Maal von einer neuen Quelle, und die Ware hieß jetzt anders: Chemical. Als Dimple den neuen Stoff zum ersten Mal probierte, spürte sie, wie sich etwas abschaltete, vielleicht ihr Nervensystem, vielleicht auch ihr Hirn, ein Motor, irgendwo. Sie sah sich durch die Matte hinab in den Boden sinken. Darunter lag eine dicke Schicht Baumwolle, und darunter erstreckten sich die blauen Pools ihrer Albträume. Sie war wach, aber von ihrem Körper getrennt, und sie hätte ebenso wenig die Hand heben wie fliegen können. Je tiefer hinab sie ins Wasser sank, desto leichter fiel es ihr; wirklich sehr leicht, es kostete sie nicht die geringste Anstrengung. Bleiern sank sie bis auf den Grund des Pools, wo sie so reglos und wohlig liegen blieb wie jene Kreaturen, die sie umspülten. Ihr am nächsten war der
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