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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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Sein Partner fahre den neuen Ambassador, aber der Maruti verbrauche viel weniger Sprit. Immerhin besaß Darshan den Anstand, auf die Prahlerei seiner Mutter verlegen zu reagieren: Er wirkte peinlich berührt. In ebendiesem Augenblick kam das ältere Kind aus der Küche. Der Junge trug nur eine Unterhose und stieß ein tiefes Jaulen aus, während er durchs Zimmer raste. Im letzten Moment, gerade, als es aussah, als würde er ins Sofa krachen, bog er scharf ab und schlug eine neue Flugbahn entlang der Wand ein; sein Geheul wurde schriller. Das zweite Kind, ein Mädchen, taumelte durchs Zimmer wie ein alter Penner, krachte ins Mobiliar und plapperte selig vor sich hin. Einen Moment später fiel ihr Gesicht in sich zusammen, und sie hauchte alle Luft aus. Sie hörte auf zu atmen. Sie ließ die Arme hängen; nur die Füße bewegten sich rhythmisch, traten auf der Stelle. Es folgte ein langer, qualvoller Moment, in dem alle darauf warteten, dass das Kind wieder zu atmen begann. Dann: ein anschwellendes Gebrüll, so laut, dass es Rumi aus seinem Halbschlaf aufschreckte. An dieser Stelle schweifte Rumi kurz ab. Er erzählte Dimple, dass Kindheit ein Gebrechen sei, gewiss ein körperliches, womöglich auch ein geistiges. Kinder seien hoffnungslos im Nachteil und für die Welt schlicht ungeeignet. Sie seien klein, unbeholfen und dumm, Halbmenschen, ein Zwergenpack voller Ektoplasma und Scheiße, unterentwickelte Organismen, unfähig, sich Essen zu besorgen oder den eigenen Arsch sauber zu halten. Sie verlangten konstante Aufmerksamkeit und waren unfähig, einem zu sagen, was sie brauchten. Ihnen blieb nichts weiter übrig, als darauf zu warten, dass dieser Zustand vorüberging, Jahre des Wartens, bis die Misere ein Ende fand. Da würde jeder heulen, sagte er. Nicht lange, und er hörte, wie seine Frau ihren Vetter fragte, wie das Geschäft liefe. Ihr Vetter und dessen Partner hatten vor acht Jahren eine Firma gegründet, die technischen Support für Computernetzwerke in Büros anbot. Anfangs war es nicht leicht gewesen, war es sogar so schlecht gelaufen, dass sie aufgeben wollten. Dann kam die Wirtschaft in Schwung, und aus allen Ecken trudelten Aufträge ein. Jetzt waren sie dermaßen gut im Geschäft, dass der Vetter seiner Mutter eine Wohnung gekauft hatte. Alle, dachte Rumi, scheffeln Geld, nur ich nicht. Sobald die Verwandten gegangen waren, legte seine Frau sich schlafen. Rumi dachte an die Zeit gleich nach seiner Rückkehr aus LA , als er einen Job in der Werbebranche hatte, besser verdiente und seine Frau es war, die nach Sex verlangte. Sie war unersättlich gewesen; und sie beide trieben es ständig. Kam er von der Arbeit nach Hause, zog sie ihn als Erstes ins Schlafzimmer. Kaum zu glauben, dass dies dieselbe Frau war. Würde es einen Unterschied machen, wenn er mehr Geld nach Hause brächte? Natürlich, davon war er überzeugt. Ihr Verhalten hatte sich beinahe auf Monat und Tag genau geändert, als er die Stelle in der Agentur verlor und im Maklergeschäft ihres Vaters anfing. Wenn Geld aber tatsächlich das Gleitmittel war, das sie zu Sex animierte, was bestand dann für ein Unterschied zwischen ihr und der Frau, die er an diesem Abend für ihre Dienste bezahlt hatte? Wenn es einen Unterschied gab, schnitt die Prostituierte jedenfalls besser ab. Immerhin machte sie keinen Hehl aus ihrem Job und ihrer Stellung im Leben. Seine Frau machte sich in beiderlei Hinsicht etwas vor. Täte sie das nicht, wüsste sie, dass es ihre Pflicht war, ihm zu dienen und ihn glücklich zu stimmen. Er war ihr Pati, ihr Ehemann und Herr, und sein Glück war ihr Begehr. Daran dachte er, während er neben seiner schlafenden Gattin lag, erzählte Rumi, und er genoss es, sich an das Abenteuer mit der Prostituierten zu erinnern, es in Gedanken noch einmal zu erleben, neben seiner Frau, und erneut den Küchenschweiß der Straßenhure zu riechen. Er schnüffelte an seinen Händen und lächelte in die Dunkelheit.

7 Geschäftspraktiken der kriminellen Klasse: Z & V
    An der Tür hing ein Godrej-Schloss. Es war das Erste, was die Leute sahen, als sie die Treppe hinaufkamen. Dann sahen sie den an die Wand gehefteten Anschlag der Behörde für Zölle und Verbrauchssteuern und begriffen, dass Rashids Khana auf Dauer geschlossen war. Sie gingen woanders hin. An jenem Morgen saßen Rashid, Dimple und Bengali im Gilass Palass, einer Tee- und Faluda-Stube in der Nähe der Grant Road Station. Nur Bengali bemerkte die Spiegel an den Wänden und an der Decke

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