Narkosemord
konnte.
»Mr. Harding«, sagte Mrs. Arnsdorf. »Was kann ich für Sie tun? Entschuldigen Sie, daß ich Sie so lange habe warten lassen, aber in Anbetracht des Problems, das wir heute im OP hatten, bin ich sicher, daß Sie Verständnis dafür haben.«
Trent lächelte in sich hinein. Und ob er Verständnis dafür hatte. Wenn sie wüßte, wieviel Verständnis er dafür hatte.
»Ich möchte kündigen«, sagte er. »Mit sofortiger Wirkung.«
Mrs. Arnsdorf richtete sich kerzengerade auf ihrem Stuhl auf. Trent wußte, daß er sie geschockt hatte. Das gefiel ihm sehr.
»Tut mir leid, das zu hören. Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten? Irgendwas, das wir vielleicht in einem Gespräch klären könnten?«
»Ich fühle mich von meinen Fähigkeiten her nicht voll ausgelastet«, antwortete Trent. »Wie Sie wissen, wurde ich bei der Navy ausgebildet und bekam dort erheblich mehr Eigenverantwortung übertragen als hier.«
»Vielleicht könnten wir Sie in eine andere Abteilung versetzen«, schlug Mrs. Arnsdorf vor.
»Ich fürchte, das ist nicht die Lösung«, sagte Trent. »Wissen Sie, ich arbeite gern im OP. Ich habe mir überlegt, daß ich vielleicht besser in einer, sagen wir, akademischeren Umgebung aufgehoben wäre, etwa wie im Boston City Hospital. Ich habe mich entschlossen, mich dort zu bewerben.«
»Wollen Sie es sich nicht vielleicht doch noch einmal überlegen?« fragte Mrs. Arnsdorf.
»Nein, mein Entschluß steht fest. Da ist nämlich noch ein anderes Problem: Ich komme mit Mrs. Raleigh, der Leiterin des OP, einfach nicht zurecht. Unter uns gesagt, sie läßt die Zügel bisweilen ein bißchen zu sehr schleifen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Da bin ich nicht so sicher«, erwiderte Mrs. Arnsdorf.
Trent überreichte ihr eine vorbereitete Liste mit den Dingen, die er als Problem in der Organisation und Funktion des OPs empfand. Er hatte Mrs. Raleigh nie ausstehen können und hoffte, daß diese Unterhaltung ihr einen ordentlichen Rüffel einbringen würde.
Als Trent Mrs. Arnsdorfs Büro verließ, fühlte er sich großartig. Er überlegte kurz, ob er stehenbleiben und ein bißchen mit ihrem Sekretär plaudern sollte, um herauszufinden, wo der Bursche trainierte, aber im Wartezimmer saß schon wieder jemand, der einen Termin bei der Mrs. Arnsdorf hatte. Trent erkannte die Frau wieder. Es war die Tages-Oberschwester der Intensivstation.
Eine knappe halbe Stunde nach seiner Unterhaltung mit Mrs. Arnsdorf verließ Trent die Klinik, in der Hand einen Kissenbezug mit seinen persönlichen Sachen aus seinem Spind. Selten hatte er sich so gut gefühlt. Alles hatte besser geklappt, als er gehofft hatte. Während er zur Orange Line der MBTA ging, überlegte er, ob er direkt zum Boston City Hospital fahren sollte, um sich zu bewerben. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm jedoch, daß es dafür bereits zu spät war. Na gut, dann eben morgen. Anschließend begann er darüber nachzudenken, wohin er nach dem Boston City gehen sollte. San Francisco wäre vielleicht nicht schlecht, überlegte er. Er hatte gehört, daß San Francisco eine Stadt sein sollte, in der ein Bursche viel Spaß haben konnte.
Als es zum erstenmal an der Tür läutete, konnte Jeffreys Unterbewußtsein das noch sauber in den Traum integrieren, den er gerade hatte. Er war auf dem College und stand vor einer Abschlußprüfung für einen Kurs, den er aus irgendeinem Grund völlig verschwitzt hatte. Es war ein Alptraum für Jeffrey, und auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Er war stets ein sehr gewissenhafter Student gewesen und hatte immer Angst vorm Durchfallen gehabt. In seinem Traum war die Türklingel zur Schulglocke geworden.
Jeffrey war mit dem schweren Toxikologiebuch auf der Brust eingeschlafen. Als die Türklingel zum zweitenmal läutete, schrak er hoch, und das Buch fiel mit einem polternden Geräusch auf den Boden. Schlaftrunken schaute er sich um, zunächst völlig desorientiert, bis ihm einfiel, wo er war.
Zuerst rechnete er damit, daß Kelly an die Tür gehen würde. Aber dann erinnerte er sich, daß sie zur Klinik gefahren war. Er stand auf - jedoch eine Idee zu hastig. Erschöpft und unausgeschlafen, wie er war, wurde ihm plötzlich schwindlig, und er mußte sich an der Armlehne der Couch festhalten. Es dauerte fast eine Minute, bis sich sein Kreislauf wieder so weit stabilisiert hatte, daß er sich einigermaßen sicher auf den Beinen fühlte. Auf Strümpfen ging er durch die Küche und das Eßzimmer zur
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