Narkosemord
herunterzuziehen. Dann ging sie in die Küche und stellte den Schrubber wieder in die Speisekammer. Anschließend gab sie Jeffrey den Umschlag vom St. Joseph’s Hospital. Er enthielt einen Computerausdruck mit der Liste des medizinischen und des nichtmedizinischen Personals des St. Joseph’s.
Jeffrey setzte sich mit dem Umschlag auf die Couch, öffnete ihn, zog den Computerausdruck heraus und entfaltete ihn. Es standen eine Menge Namen darauf. Was Jeffrey interessierte, war, festzustellen, ob irgendeiner von den Ärzten, die er vom Memorial her kannte, auch im St. Joseph’s Hospital Betten hatte.
»Was hältst du davon, wenn wir jetzt erst mal was essen?« fragte Kelly.
»Hm«, sagte Jeffrey und schaute von seiner Liste auf. Nach der Sache in der Speisekammer war er nicht sicher, ob er überhaupt etwas runterkriegen würde. Noch vor einer halben Stunde hätte er nicht mal im Traum daran gedacht, daß er zu diesem Zeitpunkt gemütlich auf der Couch sitzen und über Essen reden würde.
11
Donnerstag, 18. Mai 1989, 18 Uhr 30
»Entschuldigen Sie«, begann O’Shea. Eine Frau etwa Mitte Sechzig mit weißem Haar hatte die Tür ihres Hauses in Newton geöffnet. Sie machte einen Eindruck von makelloser Gediegenheit in ihrem weißen Leinenrock, ihrem blauen Pullover und ihrer schlichten Perlenkette. Als sie ihren Besucher nicht sofort erkennen konnte, griff sie nach ihrer Brille, die an einem goldenen Kettchen an ihrem Hals hing.
»Ich muß schon sagen, junger Mann«, meinte sie, nachdem sie O’Shea eingehend gemustert hatte, »Sie sehen aus, als wären Sie ein Mitglied der Hell’s Angels.«
»Die Ähnlichkeit ist anderen auch schon aufgefallen, Ma’am, doch um die Wahrheit zu gestehen, ich habe noch nie auf einem Motorrad gesessen. Die Dinger sind einfach zu gefährlich.«
»Warum dann aber diese ausgefallene Kleidung, junger Mann?« fragte sie, sichtlich verblüfft.
O’Shea sah der Frau in die Augen. Die Frage schien sie echt zu interessieren. Dieser Empfang war wirklich Welten entfernt von dem, was er bei den anderen Eversons erlebt hatte. »Möchten Sie das wirklich wissen?« fragte er.
»Es interessiert mich immer, was die jungen Leute von heute so bewegt.«
Daß er als junger Mann betrachtet wurde, fand O’Shea irgendwie richtig rührend. Er war mittlerweile achtundvierzig, und es war verdammt lange her, daß er sich als jung empfunden hatte. »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß diese Art, mich zu kleiden, mir sehr bei meiner Arbeit hilft«, erklärte er.
»Dann sagen Sie mir doch bitte, junger Mann, was für eine Art von Metier ist es denn, das es erforderlich macht, daß Sie so…« Die Frau hielt inne, um nach dem passenden Wort zu suchen. »… furchterregend ausschauen.«
O’Shea lachte, dann mußte er husten. Diese verdammte Qualmerei, dachte er, ich muß endlich damit aufhören. »Ich bin Kopfgeldjäger. Ich fange Verbrecher ein, die versuchen, sich dem Arm des Gesetzes zu entziehen.«
»Wie aufregend!« sagte die Frau. »Wie nobel.«
»Ich weiß nicht, ob das so nobel ist, Ma’am. Ich tue es für Geld.«
»Jede Arbeit verdient ihren Lohn«, erwiderte die Frau. »Aber was in aller Welt führt Sie dann zu mir?«
O’Shea erklärte ihr, daß er einen gewissen Christopher Everson suche; dabei betonte er ausdrücklich, daß Christopher Everson kein flüchtiger Krimineller sei, aber daß er möglicherweise gewisse Informationen besitze, die ihn vielleicht zu einem flüchtigen Verbrecher führen könnten.
»In unserer Familie heißt niemand Christopher«, sagte die Frau. »Aber wenn ich mich richtig erinnere, hat irgend jemand diesen Namen mir gegenüber vor ein paar Jahren einmal erwähnt. Ich glaube, der Mann, an den ich denke, war Arzt.«
»Das klingt ermutigend. Der Christopher Everson, nach dem ich suche, ist möglicherweise ein Arzt.«
»Vielleicht könnte ich meinen Mann fragen, wenn er nach Hause kommt. Er weiß besser über den Everson-Zweig unserer Familie Bescheid als ich. Schließlich ist es seiner. Wie kann ich mit Ihnen in Verbindung treten, junger Mann?«
O’Shea schrieb ihr seinen Namen und die Nummer von Michael Mosconis Büro auf und sagte ihr, sie könne dort eine Nachricht hinterlassen. Dann dankte er ihr für ihre Hilfsbereitschaft und ging zurück zu seinem Wagen.
O’Shea schüttelte den Kopf, als er Ralph Eversons Namen auf seiner Liste einkreiste. Er dachte, daß er dort vielleicht noch einmal anrufen könnte, falls sich woanders keine besseren
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