Narkosemord
Hinweise ergaben.
O’Shea ließ seinen Wagen an und fuhr los. Die nächste Stadt auf seiner Liste war Dedham. Zwei Eversons waren dort gemeldet. Sein Plan war, um den Süden von Boston herumzufahren und Dedham, Canton und Milton gleich in einem Rutsch mitzunehmen, bevor er wieder in die Stadt zurückkehrte.
Er nahm die Hammond Street bis Tremont und bog dort auf die alte Route One, die ihn direkt ins Zentrum von Dedham bringen würde. Während er so dahinfuhr, dachte er an die alte Dame in Newton und mußte lachen. Es war schon verrückt, was für unterschiedlichen Leuten man in seinem Job begegnete. Man geriet wirklich manchmal von einem Extrem zum anderen. Dann ging ihm noch mal sein Besuch bei dieser Kelly C. Everson durch den Kopf. Er war sicher gewesen, daß jemand im Haus war, nachdem er dieses scheppernde Geräusch direkt hinter der Tür gehört hatte, so, als wäre irgendwas runtergefallen. Wahrscheinlich war’s eine Katze gewesen. Er hatte diese Adresse ebenfalls eingekreist. Er würde dort noch einmal vorbeischauen, falls sich nicht irgendwoanders was Besseres ergeben sollte.
Diesen Doktor zu finden war alles andere als der Routinejob, für den O’Shea ihn anfänglich gehalten hatte. Zum erstenmal begann er sich zu fragen, welche Umstände dazu geführt haben mochten, daß er wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden war. Normalerweise machte er sich nicht die Mühe, viel über die Art und die Umstände der Verbrechen seiner Kunden in Erfahrung zu bringen, es sei denn, er versprach sich davon einen Hinweis, welches Kaliber er benötigen würde. Und ob jemand schuldig oder unschuldig war, das herauszufinden war nun wahrlich nicht sein Bier.
Aber dieser Jeffrey Rhodes wurde mehr und mehr zu einem Rätsel für ihn - und zu einer Herausforderung. Mosconi hatte ihm nicht viel über Rhodes erzählt; er hatte lediglich seine Kautionssituation erklärt und gesagt, er glaube nicht, daß Rhodes sich wie der typische Schwerverbrecher verhalten würde. Und alle Nachforschungsaufträge, die O’Shea über sein Unterwelt-Informantennetz rausgeschickt hatte, waren blanko zurückgekommen. Keiner wußte irgend etwas von Jeffrey Rhodes. Offenbar hatte er noch nie was ausgefressen, eine Situation, die einzigartig war in Devlin O’Sheas Karriere als Kopfgeldjäger. Warum dann diese riesige Kaution? Was, zum Henker, hatte Dr. Jeffrey Rhodes angestellt?
Was O’Shea nicht minder verblüffte, war Rhodes’ unerklärliches Verhalten seit seinem gescheiterten Versuch, sich nach Rio abzusetzen. Er schien seine Pläne vollkommen geändert zu haben. Er verhielt sich absolut nicht wie der typische Verbrecher auf der Flucht. Seit O’Shea ihm das Ticket nach Südamerika abgenommen hatte, schien Rhodes überhaupt keine Fluchtpläne mehr zu hegen. Er arbeitete an irgend etwas - O’Shea war sich dessen völlig sicher. Die Papiere, die er im Essex gefunden hatte, waren der Beweis. O’Shea fragte sich, ob es ihm vielleicht weiterhelfen würde, wenn er einen der Polizeiärzte bat, sich das Material einmal anzuschauen. Da die Everson-Spur offenbar nichts herzugeben schien, konnte er vielleicht an einem anderen Hebel ansetzen.
Trotz Kellys Protest half Jeffrey ihr beim Abwasch nach ihrem Abendessen, das aus Schwertfisch und Artischocken bestanden hatte. Während sie die Töpfe und die Pfanne sauberkratzte, trocknete er ab und trug sie von der Küche ins Wohnzimmer.
»Der OP war nicht der einzige Ort, an dem es heute eine Tragödie gegeben hat«, sagte Kelly, während sie versuchte, sich die Stirn mit dem Teil ihres Unterarms abzuwischen, der aus dem Gummihandschuh hervorschaute. »Auf der Intensivstation hatten wir ebenfalls unsere Probleme.«
Jeffrey nahm ein Schwammtuch, um den Tisch sauberzumachen. »Was war los?« fragte er geistesabwesend. Er hing seinen eigenen Gedanken nach. Er machte sich Sorgen über O’Sheas unvermeidlichen nächsten Besuch.
»Eine der Klinikschwestern ist gestorben«, sagte Kelly. »Sie war eine gute Freundin von mir und eine gute Fachkraft.«
»Ist es passiert, während sie Dienst hatte?«
»Nein, sie machte die Spätschicht im OP«, antwortete Kelly. »Sie wurde heute morgen gegen acht in die Notaufnahme eingeliefert.«
»Autounfall?«
Kelly schüttelte den Kopf und kratzte den Pfannenboden mit einem Topfkratzer aus. »Nein. Allem Anschein nach muß sie in ihrer Wohnung einen epileptischen Anfall gehabt haben.«
Jeffrey hörte mitten im Wischen auf. Das Wort »Anfall« rief in ihm
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