Narkosemord
fragte Jeffrey.
»In meinem Job ist alles interessant, was zum Tod führt, besonders etwas, das dies so wirkungsvoll tut wie diese Toxine. Und wie könnte man diesen Namen widerstehen? Hier ist einer: Histrionicotoxin. Der zergeht einem doch richtig auf der Zunge, finden Sie nicht?« Seibert legte Jeffrey einen Artikel hin. Jeffrey nahm ihn und begann ihn zu überfliegen.
»Hier, ein echter Leckerbissen!« rief Seibert aus, nahm einen Artikel und haute mit dem Handrücken darauf. »Das ist eine der giftigsten Substanzen, die wir kennen: Batrachotoxin.«
»Lassen Sie mich mal sehen«, sagte Jeffrey. Er erinnerte sich an den Namen als einen von den vielen, die er in dem Kapitel über Toxine in Chris’ Toxikologiebuch gelesen hatte. Jetfrey nahm den Artikel und las die Zusammenfassung. Es hörte sich vielversprechend an. Wie Seibert vermutet hatte, wirkte dieses Toxin wie ein depolarisierendes Agens auf Nervenzellverbindungen. Außerdem stand da, daß es umfassende Schäden an der Ultrastruktur von Nerven- und Muskelzellen verursachte.
Jeffrey schaute auf und gab Seibert den Artikel zurück. »Was hielten Sie davon, wenn wir nach diesem Toxin im Serum von einem der Fälle suchen würden?«
»Das Zeug wäre mit Sicherheit einer der härtesten Hämmer«, sagte Seibert. »Es ist unheimlich stark. Es ist ein steroidales Alkaloid; das bedeutet, es kann sich leicht in den Lipiden und Steroiden der Zelle verstecken. Vielleicht wäre eine Muskelgewebsprobe besser als eine Serumprobe, da das Toxin ja auf die motorischen Endplatten wirkt. Die wahrscheinlich einzige Möglichkeit, wie man so etwas wie Batrachotoxin nachweisen kann, ist die, daß man irgendeinen Weg findet, es in einer Probe zu konzentrieren.«
»Wie würden Sie da vorgehen?«
»Da es ein Steroid ist, würde es so metabolisiert, daß es in der Leber glukoronisiert und von der Galle ausgeschieden wird«, erklärte Seibert. »Eine Gallensaftanalyse wäre also nicht schlecht - bis auf ein kleines Problem.«
»Und das wäre?« fragte Jeffrey.
»Das Zeug tötet so schnell, daß die Leber gar nicht erst die Chance hat, es zu verarbeiten.«
»Bei einem der Fälle trat der Tod nicht so schnell wie bei den anderen ein«, berichtete Jeffrey, an Henry Noble denkend. »Er kriegte offenbar eine kleinere Dosis ab und überlebte noch eine Woche. Meinen Sie, das könnte weiterhelfen?«
»Wenn ich raten müßte, würde ich sagen, ja«, antwortete Seibert. »Seine Galle dürfte die höchste Konzentration von dem Zeug im Vergleich zu allen anderen Substanzen seines Körpers aufweisen.«
»Er ist aber schon fast zwei Jahre tot. Ich vermute, die Chance, daß von ihm noch irgendwo Körperflüssigkeit aufbewahrt wird, dürfte gleich Null sein.«
Seibert nickte. »Da ist nichts mehr zu machen. Wir haben nur begrenzt Platz im Kühlraum.«
»Würde es irgendwas bringen, wenn man die Leiche exhumieren würde?« fragte Jeffrey.
»Möglich«, sagte Seibert. »Es käme auf den Grad der Verwesung an. Angenommen, der Leichnam ist noch in einem halbwegs guten Zustand - sagen wir, er ist an einer schattigen Stelle beerdigt worden und vernünftig einbalsamiert, dann könnte es hinhauen. Aber einen Leichnam exhumieren, das ist nicht gerade eine der leichtesten Übungen. Sie brauchen dafür eine Genehmigung, und die kriegen Sie nicht so ohne weiteres. Sie müssen sich entweder einen Gerichtsbeschluß besorgen oder eine Genehmigung vom nächsten Verwandten. Sie können sich denken, daß weder die Gerichte noch die Verwandten sonderlich erpicht darauf sind, Ihnen eine solche Genehmigung zu erteilen.«
Jeffrey schaute auf seine Uhr. Es war schon nach zwei. Er hielt den Artikel hoch, den er in der Hand hatte. »Könnte ich mir den wohl ausleihen?«
»Wenn ich ihn wiederkriege, ja«, antwortete Seibert. »Ich rufe Sie auch gern wegen der toxikologischen Untersuchungsergebnisse von Karen Hodges und wegen der Serumprobe von Patty Owen an. Das Problem ist nur, ich kenne Ihren Namen nicht.«
»Oh, Entschuldigung«, sagte Jeffrey. »Ich heiße Peter Webber. Aber es ist immer schwierig, mich in der Klinik zu erreichen. Es wäre einfacher, wenn ich Sie zurückrufen würde. Wann soll ich’s am besten versuchen?«
»Wie wär’s mit morgen? Wenn wir so mit Arbeit eingedeckt sind wie jetzt, arbeiten wir auch an den Wochenenden. Ich will sehen, daß ich die Sache ein bißchen beschleunigen kann, da Sie so interessiert sind.«
Als Jeffrey das Leichenschauhaus verlassen hatte, mußte er zu Fuß
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