Narkosemord
entgegensetzen. Er teilte ihr seine Vermutung mit, daß die Männer in den dunklen Anzügen Kopfgeldjäger wie O’Shea waren.
»Das glaube ich nicht«, sagte Kelly. »Als ich die Männer bemerkte, dachte ich zuerst, sie würden zu Harding gehören. Sie kamen direkt nach ihm. Aber dann, als ich sie beobachtete, konnte ich sehen, daß sie hinter ihm her waren. Sie haben ihn ganz gezielt abgeknallt. Sie mußten ihn nicht erschießen. Sie wollten es. Die Schüsse galten keinesfalls dir.«
»Aber warum wollten sie Harding erschießen?« fragte Jeffrey. »Das ergibt keinen Sinn.« Er seufzte. »Nun, es hat wenigstens ein Gutes. Ich bin überzeugt, daß Harding der Mörder war, auch wenn wir dafür keinen Beweis haben. Die Welt wird ohne ihn weit besser dran sein.«
Jeffrey mußte plötzlich laut lachen.
»Was kannst du daran so Lustiges finden?« fragte Kelly.
»Ich muß über meine eigene Naivität lachen. Daß ich allen Ernstes geglaubt habe, ich könnte Harding dazu kriegen, sich zu verplappern, wenn ich mich mit ihm treffe. Wenn ich jetzt im nachhinein darüber nachdenke, möchte ich wetten, daß er es von Anfang an als eine günstige Gelegenheit gesehen hat, mich umzulegen. Ich hab’ dir noch gar nicht erzählt, daß er eine Spritze bei sich hatte. Ich nehme an, er hatte gar nicht vor, mich mit seiner Knarre abzuschießen. Er wollte mich mit seinem Toxin erschießen.«
Kelly trat unvermittelt auf die Bremse und lenkte den Wagen an den Straßenrand.
»Was ist los?« fragte Jeffrey alarmiert. Er war halb darauf gefaßt, O’Shea aus der Dunkelheit auftauchen zu sehen. Dieser Kerl wurde allmählich zum Alptraum für ihn.
»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen«, sagte Kelly aufgeregt.
Jeffrey starrte sie in der Dunkelheit an. Die Lichtkegel von den Scheinwerfern der vorbeifahrenden Autos huschten in kurzen Abständen durch das Wageninnere.
Kelly wandte sich ihm zu. »Möglicherweise hat Hardings Ermordung einen verborgenen Nutzen.«
»Wovon redest du?«
»Vielleicht liefert uns sein Tod einen Hinweis, den wir nicht bekommen hätten, wenn er nicht getötet worden wäre.«
»Ich glaube, ich kann dir nicht so ganz folgen«, sagte Jeffrey.
»Die beiden Kerle waren in erster Linie darauf aus, Harding umzubringen, nicht dich. Da bin ich mir ganz sicher. Und es war bestimmt nicht als humanitäre Geste gedacht. Das sagt uns etwas.« Kelly wurde von Moment zu Moment aufgeregter. »Es sagt uns, daß irgend jemand Harding als Bedrohung empfunden haben muß. Vielleicht wollten sie verhindern, daß er mit dir spricht. So, wie die beiden Kerle aussahen, mit ihren schnieken Anzügen und ihren Ballermännern, tippe ich eher auf Berufskiller.« Sie holte tief Luft. »Ich glaube, diese ganze Sache ist weitaus komplizierter, als wir uns das vorgestellt haben.«
»Du glaubst, Harding war nicht bloß ein Geistesgestörter, der auf eigene Faust gehandelt hat?«
»Genau das meine ich«, sagte Kelly. »Nach dem, was heute abend da draußen abgelaufen ist, glaube ich eher, daß hinter der ganzen Sache irgendeine Art Verschwörung steckt. Vielleicht hat es irgendwas mit Krankenhäusern zu tun. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß da noch eine andere Dimension im Spiel sein muß, die wir völlig übersehen haben, weil wir uns zu sehr auf die Theorie vom psychopathischen Einzeltäter versteift haben. Ich glaube einfach nicht, daß Harding auf eigene Faust gehandelt hat.«
Jeffreys Gedanken kehrten zu dem Wortwechsel zwischen Frank Feranno und O’Shea zurück. Feranno hatte gesagt: »Diese Sache geht dich nichts an. Wir wollen bloß den Doktor.« Sie hatten Jeffrey gewollt, aber sie hatten ihn lebend gewollt. Sie hätten ihn problemlos abknallen können, so wie Trent Harding.
»Vielleicht steckt irgendeine Versicherung dahinter«, sagte Kelly. »Würde mich jedenfalls nicht wundern.« Sie hatte Versicherungen schon immer gehaßt, erst recht nach Chris’ Selbstmord.
»Jetzt geht aber wirklich deine Phantasie mit dir durch«, erwiderte Jeffrey. Nach allem, was er in den letzten Tagen mitgemacht hatte, war sein Kopf total leer. Er konnte ihren Gedankensprüngen nicht folgen.
»Irgend jemand profitiert von diesen Morden«, sagte Kelly. »Vergiß nicht, nicht nur die Ärzte, auch die Krankenhäuser sind allesamt verklagt worden. In Chris’ Fall mußte die Versicherung des Krankenhauses mindestens genausoviel zahlen wie seine private Versicherung, wenn nicht sogar noch mehr. Aber es war dieselbe
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