Narkosemord
halben Stunde wieder zurück sein«, sagte Jeffrey.
»Bist du sicher?« fragte Kelly.
»Natürlich bin ich nicht sicher«, antwortete Jeffrey »aber es liegt doch ziemlich nahe, oder? Jetzt mach mich nicht noch nervöser, als ich so schon bin.«
»Vielleicht ist die Polizei bereits da.«
»Ich kann mir nicht mal vorstellen, daß sie schon an der Hatch Shell waren, geschweige denn hier in Hardings Wohnung. Keine Angst, ich werde aufpassen. Ich werde vorher am Fenster horchen. Sollte die Polizei auftauchen, während ich noch oben bin, hupst du mehrmals hintereinander und fährst dann um den Block herum zur Revere Street. Sollte es tatsächlich dazu kommen, was ich aber nicht glaube, laufe ich über die Dächer und komm’ aus einem der Häuser dort drüben raus.«
»Das mit dem Hupen hat letztesmal schon nicht funktioniert«, gab Kelly zu bedenken.
»Diesmal werde ich hinhören.«
»Was wirst du tun, wenn du irgendwas Belastendes findest?«
»Ich werde es liegen lassen, wo es ist, und Randolph anrufen«, antwortete Jeffrey. »Dann kann er einen Durchsuchungsbefehl erwirken und die Polizei informieren. Von dem Punkt an würde ich die weiteren Ermittlungen den Experten überlassen. Bis das alles über die Bühne ist und die Mühlen der Justiz sich in Bewegung gesetzt haben, wird einige Zeit vergehen. Was mich betrifft, werde ich mich wohl am besten ins Ausland absetzen, zumindest so lange, bis ich entlastet bin.«
»Das klingt aus deinem Mund alles so einfach«, sagte Kelly.
»Das wird es auch sein, falls ich das Toxin oder etwas Entsprechendes finde«, erwiderte Jeffrey. »Und, Kelly, wenn ich tatsächlich das Land verlasse, dann möchte ich, daß du dir überlegst, ob du nicht Lust hättest mitzukommen.«
Kelly wollte etwas sagen, aber Jeffrey hob die Hand. »Denk einfach mal drüber nach.«
»Ich würde unheimlich gerne mitkommen. Ehrlich.«
Jeffrey lächelte. »Laß uns später darüber sprechen. Jetzt wünsch mir erst mal viel Glück.«
»Viel Glück«, sagte Kelly. »Und beeil dich!«
Jeffrey stieg aus dem Wagen und schaute zu Hardings offenem Fenster hinauf. Er konnte sehen, daß das Fliegengitter noch nicht wieder eingehängt worden war. Das war gut. Es würde ihm Zeit ersparen.
Er überquerte die Straße und ging ins Haus. Die Innentür ließ sich wie schon beim letztenmal problemlos öffnen. Im Treppenhaus hing der Geruch von gebratenen Zwiebeln. Aus mehreren Wohnungen drang Musik. Als er die schmutzübersäte Treppe hinaufstieg, wuchsen seine Bedenken. Aber er wußte, daß er keine Zeit hatte, sich seinen Ängsten hinzugeben. Mit neugewonnener Entschlossenheit stieg er hinauf aufs Dach und die Feuertreppe hinunter.
Jeffrey steckte den Kopf durchs Fenster und horchte. Alles, was er hören konnte, war die gedämpfte Popmusik, die er schon im Treppenhaus vernommen hatte. Als er sicher war, daß Hardings Wohnung leer war, gab er sich einen letzten inneren Ruck, dann stieg er ins Wohnzimmer ein.
Er bemerkte als erstes, daß in der Wohnung ein noch größeres Durcheinander herrschte als bei seinem ersten Besuch. Der Kaffeetisch lag umgestürzt auf dem Boden; ein Bein war abgebrochen. Alles, was auf ihm gewesen war, lag jetzt im Zimmer verstreut. Neben dem Telefon klaffte ein faustgroßes Loch in der Gipswand. Der Fußboden in der Nähe der Küchentür war mit Scherben und Glassplittern übersät. Jeffrey entdeckte die Reste einer zerbrochenen Bierflasche zwischen den Scherben.
Er ging durch die ganze Wohnung, um sich zu überzeugen, daß wirklich niemand da war. Dann trat er zur Wohnungstür und legte die Kette vor. Diesmal wollte er jeder Überraschung vorbeugen. Anschließend begann er die Wohnung systematisch zu durchsuchen. Sein Plan war, als erstes nach Schriftstücken Ausschau zu halten. Er würde sie, falls er welche fand, nicht an Ort und Stelle lesen, sondern mitnehmen und sie später in aller Ruhe studieren.
Der Platz, an dem Korrespondenz am ehesten aufbewahrt wurde, war der Schreibtisch. Doch bevor er sich den Schreibtisch vornahm, ging er in die Küche, um zu schauen, ob er eine leere Einkaufstüte fand, in die er die Briefe hineinstecken konnte. In der Küche entdeckte er weitere Scherben. Jeffrey starrte auf die Scherben in der Küche. Sie lagen auf dem Boden neben dem Kühlschrank und schienen von sauberen Gläsern zu stammen. Es sah so aus, als wären sie absichtlich zerbrochen worden. Er ging zu dem Schränkchen und öffnete es. Auf dem unteren Regal standen Gläser von der
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