Narkosemord
Dieser trug ein weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Er hatte eine Tasche bei sich. Die beiden Männer lachten über irgend etwas. Sie schienen es nicht eilig zu haben. Der jüngere der beiden rauchte seine Zigarette auf und schnippte die Kippe in den Rinnstein. Dann gingen sie in Trent Hardings Haus.
Kelly musterte den Wagen. Es war ein großer schwarzer Lincoln Town Car mit mehreren Antennen auf dem Heck. Die protzige Limousine paßte so gar nicht zu der schmuddeligen Straße mit ihren heruntergekommenen Häusern, und Kelly beschlich ein mulmiges Gefühl. Sie überlegte, ob sie hupen sollte, aber sie wollte Jeffrey auf keinen Fall unnötig einen Schreck einjagen. Sie griff zur Tür, um auszusteigen, entschloß sich dann aber doch zu bleiben, wo sie war. Sie blickte erneut zu Hardings Fenster hoch, so, als könne sie allein durch ihr Schauen Jeffrey heil aus dem Haus herausbringen.
»Wenn du mir beweist, daß ich mich auf dich verlassen kann, habe ich große Pläne mit dir, Nicky«, sagte Frank Feranno, während sie zusammen die Treppe hinaufstiegen. »Durch Tonys Tod ist eine Lücke in meiner Organisation entstanden. Du verstehst, was ich meine?«
»Du brauchst mir bloß zu sagen, was ich machen soll, und es wird prompt erledigt«, erwiderte Nicky.
Feranno fragte sich, wie in aller Welt er diesen Doktor finden sollte. Er würde jemanden brauchen, der, wenn nötig, die ganze Stadt durchkämmte. Nicky war genau der richtige Mann für diesen Job, auch wenn er ein bißchen doof war.
Sie kamen im fünften Stock an. Feranno war außer Atem. »Ich glaube, ich muß mit den Spaghetti mal ein wenig kürzer treten«, sagte er schnaufend, während er Hardings Schlüssel aus der Hosentasche zog. Er warf einen Blick auf das Schloß und versuchte zu erraten, welcher Schlüssel der richtige war. Als er sich nicht entscheiden konnte, steckte er kurzerhand den erstbesten hinein und versuchte ihn herumzudrehen. Ohne Erfolg. Er probierte den zweiten. Der paßte. Er stieß die Tür auf, aber sie ließ sich nur einen Spalt öffnen. Die Kette war vorgehängt. »Was, zum Teufel?« knurrte Feranno.
Jeffrey hatte das Knirschen des ersten Schlüssels im Schloß gehört. Er war entsetzt hochgeschreckt. Sein erster Gedanke war völlig irrational: Harding war zurückgekommen! Er war gar nicht tot! Als Feranno den zweiten Schlüssel ins Schloß gesteckt hatte, war Jeffrey in Panik an der Tür vorbeigerannt. In dem Moment, als Nicky mitsamt der Tür in die Diele stürzte, war Jeffrey schon am Fenster.
»Es ist der Doktor!« hörte er jemanden brüllen. Er sprang wie ein Hürdenläufer über den Fenstersims. Diesmal schaffte er es, ohne irgendwo dagegenzukrachen. Mit einem weiteren Satz war er auf der Feuertreppe und hastete hinauf.
Auf dem Dach angekommen, nahm er den gleichen Weg wie schon bei seiner ersten Flucht. Diesmal jedoch rannte er an dem Dachhaus vorbei, durch das er am Tag zuvor entkommen war, da er befürchtete, daß das Hakenschloß noch immer herausgerissen war. Hinter sich hörte er die trommelnden Schritte seiner Verfolger. Er vermutete, daß es dieselben Männer waren, die Harding umgebracht hatten, Männer, von denen Kelly glaubte, es seien Profikiller. An die Möglichkeit, daß sie in Hardings Wohnung kommen könnten, hatte er überhaupt nicht gedacht.
Jeffrey rüttelte verzweifelt an den Türen mehrerer Dachhäuser, aber sie waren alle zugesperrt. Er mußte bis zum Eckhaus weiterrennen, bis er endlich eine Tür fand, die offen war. Er stürzte hinein, zog die Tür zu und tastete nach einem Schloß. Aber es gab keins. Er wandte sich um und stürmte die Treppe hinunter. Seine Verfolger hatten aufgeholt. Als er sich dem Erdgeschoß näherte, hörte er ihre Schritte bereits eine Treppe über sich.
Er erreichte die Straße. Blitzschnell faßte er einen Entschluß. Er wußte, bis zum Wagen konnte er es nicht mehr schaffen. Seine Verfolger waren zu dicht hinter ihm. Er machte kehrt und rannte die Revere Street hinunter. Er würde Kelly nicht noch mehr gefährden. Er würde erst versuchen, seine Verfolger abzuschütteln, bevor er zum Wagen zurückkehren würde.
Hinter sich hörte er, wie die Männer die Straße erreichten und ihm nachrannten. Viel Vorsprung hatte er nicht. Jeffrey bog nach links in die Cedar Street und jagte an einer Wäscherei und an einem Tabakladen vorbei. Eine Handvoll Passanten war auf dem Bürgersteig. Jeffrey konnte jetzt die Schritte des schnelleren seiner beiden Verfolger dicht hinter
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