Narkosemord
vorzustellen. Randolph erkannte seine Stimme sofort. In wenigen kurzen Sätzen hatte Jeffrey seine Situation geschildert. Er ließ nichts aus, auch nicht, daß er O’Shea vor den Augen des Polizisten mit dem Aktenkoffer niedergeschlagen und dann eine Verfolgungsjagd durch das Flughafen-Terminal veranstaltet hatte.
»Ach, du lieber Gott!« war alles, was Randolph hervorbrachte, als Jeffrey geendet hatte. Dann fügte er beinahe zornig hinzu: »Wissen Sie, das wird in Ihrem Revisionsverfahren nicht gerade hilfreich sein. Und auf das Urteil wird es bestimmt einen Einfluß haben.«
»Ich weiß«, erwiderte Jeffrey. »Das habe ich mir schon denken können. Aber ich habe Sie nicht angerufen, damit Sie mir sagen, daß ich in Schwierigkeiten stecke. Das ist mir auch so klar. Ich muß wissen, was Sie tun können, um mir da rauszuhelfen.«
»Nun, bevor ich etwas tue, müssen Sie sich stellen.«
»Aber…«
»Kein Aber. Sie haben sich, was das Gericht angeht, bereits in eine sehr heikle Lage gebracht.«
»Und wenn ich mich stelle, wird das Gericht dann nicht höchstwahrscheinlich ablehnen, mich auf Kaution weiterhin auf freiem Fuß zu lassen?«
»Jeffrey, Sie haben keine andere Wahl. In Anbetracht dessen, daß Sie versucht haben, ins Ausland zu fliehen, kann man ja nicht behaupten, daß Sie viel getan hätten, um das Vertrauen des Gerichts zu erwerben.«
Randolph wollte noch mehr sagen, doch Jeffrey schnitt ihm das Wort ab. »Tut mir leid, aber ich bin nicht bereit, ins Gefängnis zu gehen. Unter keinen Umständen. Bitte tun Sie, was Sie von Ihrem Platz aus tun können. Ich melde mich wieder.« Jeffrey warf den Hörer auf die Gabel. Er konnte Randolph nicht verdenken, daß er ihm diesen Rat gab. In mancher Hinsicht war es wie in der Medizin: Der Patient wollte von der angezeigten Therapie oft nichts wissen.
Jeffrey ließ die Hand auf dem Telefonhörer und schaute zur Rezeption, um zu sehen, ob jemand etwas von seinem Gespräch mitbekommen hatte. Das junge Mädchen im Minirock und ihr Freier waren nach oben verschwunden, und der Portier klebte wieder an seinem kleinen Fernseher. Ein Mann, der um die Siebzig zu sein schien, saß jetzt auf dem verschlissenen Sofa und blätterte in einer Illustrierten.
Jeffrey warf ein Geldstück in das Telefon und rief zu Hause an.
»Wo steckst du?« wollte Carol wissen, kaum daß er ein dumpfes »Hallo« gemurmelt hatte.
»In Boston«, sagte er. Weitere Einzelheiten würde er ihr nicht verraten, aber wenigstens das schuldete er ihr. Er wußte, daß sie wütend war, weil er sich ohne ein Wort verdrückt hatte, doch er wollte sie warnen für den Fall, daß O’Shea zurückkommen sollte. Und sie sollte den Wagen holen. Darüber hinaus erwartete er keinerlei Mitgefühl. Eine Schimpfkanonade war alles, was er bekam.
»Warum hast du mir nicht gesagt, daß du das Haus verläßt?« fauchte Carol. »Da bin ich so geduldig und stehe dir all die Monate hindurch bei, und das ist der Dank dafür. Ich habe das ganze Haus abgesucht, bevor ich merkte, daß der Wagen weg war.«
»Über den Wagen muß ich mit dir reden«, sagte Jeffrey.
»Mich interessiert dein Wagen nicht«, zischte Carol.
»Carol, hör mir zu!« schrie Jeffrey. Als er merkte, daß sie ihm Gelegenheit gab, etwas zu sagen, senkte er seine Stimme und wölbte eine Hand um den Hörer. »Mein Wagen steht im zentralen Parkhaus am Flughafen. Der Parkzettel liegt im Aschenbecher.«
»Gedenkst du etwa, die Kaution verfallen zu lassen?« fragte Carol fassungslos. »Wir verlieren das Haus! Ich habe die Sicherheitsübereignung guten Glaubens unterschrieben…«
»Es gibt Dinge, die wichtiger sind als das Haus!« unterbrach er sie ziemlich laut. Dann senkte er die Stimme wieder. »Außerdem ist das Haus am Cape nicht belastet. Das kannst du haben, wenn Geld deine Sorge ist.«
»Du hast mir immer noch keine Antwort gegeben«, sagte Carol. »Hast du die Absicht, die Kaution verfallen zu lassen?«
»Ich weiß es nicht.« Jeffrey seufzte. Er wußte es wirklich nicht. Es war die Wahrheit. Er hatte immer noch keine Zeit gehabt, seine Lage zu durchdenken. »Hör mal, der Wagen steht auf Ebene zwei. Wenn du ihn haben willst, schön. Wenn nicht, ist es mir auch recht.«
»Ich will mit dir über unsere Scheidung reden«, sagte Carol. »Die hab’ ich jetzt lange genug hinausgeschoben. Sosehr ich Verständnis für deine Probleme habe - und das habe ich wirklich - , so muß ich doch auch mein eigenes Leben weiterführen.«
»Ich melde mich wieder
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