Narkosemord
herunterhing.
»Kann ich helfen?« fragte der Mann und beäugte O’Shea mit sichtlichem Abscheu. Er hielt zwei Schritte Abstand zu seiner Theke, als fürchte er, daß O’Shea herüberlangen und ihn packen könnte.
»Ich bin auf der Suche nach einem Ihrer Gäste«, sagte O’Shea. »Sein Name ist Jeffrey Rhodes, aber er hat sich vielleicht unter einem anderen hier eingetragen.«
»Wir erteilen keine Auskünfte über unsere Gäste«, erwiderte der Portier entschlossen.
O’Shea beugte sich einschüchternd über die Theke und schwieg lange genug, daß dem Portier unbehaglich zumute wurde. »Sie erteilen also keine Auskünfte über Ihre Gäste«, wiederholte er und nickte dabei, als habe er das gut verstanden.
»So ist es«, sagte der Portier verunsichert.
»Was, zum Teufel, glaubst du, ist das hier? Das Ritz-Carlton?« fragte O’Shea sarkastisch. »Was ihr hier habt, ist doch meistens nichts als eine Bande von Nutten, Zuhältern und Junkies.«
Der Portier wich noch einen Schritt zurück und musterte O’Shea erschrocken.
Blitzschnell ließ O’Shea die flache Hand auf die Theke niedersausen, daß es knallte. Der Portier zog den Kopf zwischen die Schultern. Er war sichtbar eingeschüchtert.
»Die Leute machen mir schon den ganzen Tag Schwierigkeiten!« brüllte O’Shea. Dann senkte er die Stimme. »Ich habe nur eine einfache Frage gestellt.«
»Hier ist kein Jeffrey Rhodes registriert«, stammelte der Portier.
O’Shea nickte. »Wundert mich nicht«, sagte er. »Aber ich kann ihn beschreiben. Er ist ungefähr so groß wie du, um die Vierzig, Schnurrbart, ziemlich dünn, braunes Haar. Sieht nett aus. Und ’nen Aktenkoffer dürfte er bei sich haben.«
»Könnte Richard Bard sein«, sagte der Portier nach kurzem Überlegen.
»Und wann hat Mr. Bard sich in diesem palastähnlichen Etablissement eingemietet?« fragte O’Shea.
»Gestern abend gegen zehn«, antwortete der Portier. Um nicht noch einmal O’Sheas Zorn auf sich zu lenken, blätterte er eine Seite im Gästebuch um und deutete mit zitternder Hand auf einen Namen. »Sehen Sie, da hat er sich eingetragen, genau da.«
»Ist Mr. Bard denn zur Zeit im Haus?«
Der Portier schüttelte den Kopf. »Er ist gegen Mittag weggegangen«, sagte er. »Aber er sah ganz verändert aus. Er hatte schwarzes Haar, und den Schnurrbart hatte er sich abrasiert.«
»Soso«, sagte O’Shea. »Na, ich denke, damit ist wohl alles klar. In welchem Zimmer wohnt Mr. Bard?«
»In 5F.«
»Es wäre doch sicher nicht zuviel verlangt, wenn ich dich bäte, mich hinaufzuführen, oder doch?«
Der Portier schüttelte den Kopf. Er schloß seine Kasse ab, nahm einen Ersatzschlüssel und kam hinter seiner Theke hervor. O’Shea folgte ihm zum Treppenhaus. Er deutete auf den Aufzug. »Hier geht aber alles ein bißchen langsam«, stellte er fest. »Als ich vor fünf Jahren bei einer Drogenrazzia hier war, hing dasselbe Schild an der Tür.«
»Sind Sie ein Cop?«
»So was Ähnliches.«
Sie stiegen schweigend die Treppe hinauf. Als sie auf der fünften Etage angekommen waren, glaubte O’Shea, daß der Portier gleich einen Herzanfall bekommen würde; der Mann schnappte nach Luft und schwitzte heftig. O’Shea ließ ihn wieder zu Atem kommen, bevor sie den Korridor hinunter zu Zimmer 5F gingen.
Sicherheitshalber klopfte O’Shea an die Tür. Als niemand antwortete, trat er beiseite und ließ den Portier aufschließen. Rasch besichtigte er Zimmer und Bad. Es war niemand da.
»Ich denke, ich warte hier auf Mr. Bard«, sagte er und schaute aus dem Fenster. Dann drehte er sich nach dem Portier um. »Aber erzähl ihm nichts, wenn er kommt. Sagen wir, ich bin eine kleine Überraschung für ihn. Klar?«
Der Portier nickte heftig.
»Mr. Rhodes alias Mr. Bard ist ein flüchtiger Straftäter«, erklärte O’Shea. »Es existiert ein Haftbefehl auf seinen Namen. Er ist ein gefährlicher Mann, der wegen Mordes verurteilt wurde. Wenn du etwas von dir gibst, das seinen Verdacht weckt, kann man nicht vorhersagen, wie er reagieren wird. Du weißt, wovon ich rede?«
»Ja, sicher«, antwortete der Portier. »Mr. Bard benahm sich sehr komisch, als er kam. Ich dachte schon daran, die Polizei zu rufen.«
»Ja, daran hast du bestimmt gedacht«, erwiderte O’Shea sarkastisch.
»Ich sage zu niemandem ein Wort«, versprach der Portier und ging rückwärts zur Tür hinaus.
»Ich verlasse mich darauf«, sagte O’Shea und schloß hinter ihm ab.
Sobald er allein war, lief er hinüber zu dem Aktenkoffer
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