Narkosemord
ihn auf seinen Sitz hinuntersinken, und der Mann hustete. Dann nannte er mit rauher Stimme zwei Namen. »Ihre Telefonnummern weiß ich nicht. Aber sie wohnen beide in Chelsea.«
O’Shea schrieb die Namen in ein kleines Notizbuch, das er in der linken Brusttasche seines Jeanshemds bei sich trug. In diesem Augenblick gab sein Piepser Alarm. Er riß ihn vom Gürtel, drückte auf den Knopf und schaute auf die LED-Anzeige. Michael Mosconis Nummer leuchtete auf.
»Danke, Freundchen«, sagte O’Shea zu dem Busfahrer, wandte sich um und stieg aus. In einer Wolke von Dieselqualm fuhr der Bus mit offener Tür davon.
O’Shea sah ihm nach und fragte sich, ob in den nächsten Minuten ein Streifenwagen angeheult kommen würde. Wenn ja, würde er die Cops wahrscheinlich kennen. Er war seit über fünf Jahren nicht mehr bei der Polizei, aber er hatte immer noch viele Freunde dort. Von den Grünschnäbeln abgesehen, kannte er die meisten.
O’Shea ging in den Bahnhof und rief Mosconi von einer Telefonzelle aus an. Er fragte sich, ob Mosconi etwa überprüfen wollte, daß er wirklich zum Flughafen gefahren war.
»Ich habe eine gute Nachricht, alter Freund«, erklärte Mosconi, als die Verbindung zustande gekommen war. »Ich sollte es Ihnen eigentlich gar nicht sagen. Macht Ihnen die Arbeit allzu leicht. Ich weiß, wo Jeffrey Rhodes sich verkrochen hat.«
»Wo denn?«
»Nicht so hastig. Wenn ich’s Ihnen sage, und Sie walzen rüber und holen ihn ab, ist das keine vierzigtausend wert. Da kann ich auch jemand anderen anrufen. Verstehen Sie?«
»Woher haben Sie die Information?« fragte O’Shea.
»Von Norstadt aus dem Präsidium«, antwortete Mosconi triumphierend. »Als sie die Taxifirmen abklapperten, hat sich einer der Fahrer gemeldet: Er hätte einen Mann gefahren, auf den Jeffrey Rhodes’ Beschreibung paßte. Er hätte sich ziemlich komisch aufgeführt, meinte der Fahrer. Erst wußte er gar nicht, wo er hinwollte. Sie seien einfach ziellos durch die Gegend kutschiert, sagte er.«
»Und wieso hat die Polizei ihn nicht schon kassiert?« fragte O’Shea.
»Machen sie noch. Irgendwann. Aber im Moment haben sie ein bißchen viel zu tun. Irgend ’ne Rockband kommt in die Stadt. Außerdem halten sie Rhodes nicht für eine besondere Gefahr für die Öffentlichkeit.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Zehn Riesen«, sagte Michael. »Machen Sie’s, oder lassen Sie’s bleiben.«
O’Shea brauchte nicht lange nachzudenken. »Ich mach’s.«
»Das Essex Hotel«, sagte Mosconi. »Und, Dev - schubsen Sie ihn ruhig ein bißchen rum. Der Kerl hat mir ’ne Menge Ärger bereitet.«
»Das wird mir ein Vergnügen sein«, erwiderte O’Shea, und es war ihm ernst. Nicht nur, daß Jeffrey ihn mit dem Koffer geschlagen hatte - jetzt hatte er ihn auch noch um dreißigtausend Dollar gebracht. Andererseits… vielleicht auch wieder nicht.
An der Busstation gelang es ihm, ein Taxi heranzuwinken. Für fünf Dollar ließ er sich zu seinem Wagen in der Zentralgarage fahren.
Als er das Flughafengelände verließ, hatte seine Stimmung sich deutlich gebessert. Es war eine Schande, dreißig Riesen schießenzulassen - wenn es wirklich soweit kommen sollte - , aber zehntausend waren auch kein Fliegendreck. Außerdem konnte er sich ein bißchen mit Jeffrey amüsieren. Und jetzt, da er Jeffreys Aufenthaltsort kannte, war dieser Auftrag ein Kinderspiel. Ein Spaziergang.
O’Shea fuhr geradewegs zum Essex. Er parkte neben einem Hydranten auf der anderen Straßenseite. Das Essex kannte er. Als er noch bei der Polizei gewesen war, hatte er hier zweimal Rauschgiftdealer festgenommen.
Er ging die Treppe hinauf. Bevor er die Tür aufzog, griff er unter seine Jeansjacke und löste den Riemen, der den Schlagbolzen seines kurzläufigen .38er Revolvers sicherte. Er war zwar überzeugt, daß Jeffrey nicht bewaffnet war, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Der Doc hatte ihn schon einmal überrascht. Doch das würde nicht wieder vorkommen.
Ein schneller Blick in die Runde überzeugte ihn davon, daß das Essex sich seit seinem letzten Besuch nicht um ein Jota verändert hatte. Sogar an den Geruch konnte er sich noch erinnern. Es war derselbe muffige Mief wie immer - als ob sie im Keller Pilze züchteten. O’Shea trat an die Rezeption. Als der Portier sich von seinem Fernseher löste, sah O’Shea, daß er ihn gleichfalls schon kannte. Die Jungs im Dienst hatten ihn immer »Sabber« genannt, weil seine Unterlippe wie bei einer Bulldogge
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