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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Sharapova handelt. Nachdem sie keine Papiere bei sich hatte, haben wir ihre Fingerabdrücke mit denen in unserer Kartei verglichen. Es hatte in ihrem Wohnhaus einmal einen Einbruch gegeben und zwecks Vergleich waren die Fingerabdrücke aller Bewohner genommen worden, darunter auch ihre. Deshalb hatten wir sie in der Kartei.« Burghardt klang entschuldigend.
    Sina sagte nichts.
    »Sie lebte offenbar allein, ohne Familie und Angehörige. Deshalb hätte ich gerne Professor Meitner gebeten, eine Identifizierung vorzunehmen. Aber wenn Sie Frau Sharapova auch gekannt haben …« Burghardt ließ den Nachsatz offen. Georg hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. »Wo soll ich hinkommen?«, fragte er schließlich, bemüht, die Fassung nicht zu verlieren.
    Burghardt schien erleichtert. »Auf den Wiener Zentralfriedhof. Seit wenigen Tagen werden Leichen in einem der provisorisch eingerichteten Container auf dem Gelände der Friedhofsgärtnerei obduziert. Budgetknappheit …«
    »In einem Container?«, stieß Georg entsetzt hervor, »ist das Ihr Ernst?«
    »Mein völliger Ernst. Das Gerichtsmedizinische Institut wurde Anfang letzten Jahres geschlossen, dann wurde vorübergehend in vier Wiener Spitälern obduziert, jetzt in ein paar Containern zwischen leeren Blumentöpfen und Kompost.«
    Sina wurde plötzlich schlecht und er übergab sich in die Blumenkästen. Burghardt wartete geduldig, bis der Wissenschaftler sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.
    »Geht es wieder besser?«, erkundigte sich der Kommissar ehrlich besorgt.
    »Wann?«, fragte Georg einsilbig und schaute automatisch auf seine Uhr. Seine Hände zitterten wie unter Drogeneinfluss. Er versuchte sich zu erinnern, wo eigentlich sein Golf stand.
    »Wäre Ihnen 13:30 Uhr recht? Wir treffen uns am Haupteingang in der Simmeringer Hauptstraße. Das rechte Gebäude ist die Direktion der Städtischen Friedhofsgärtnerei. Ich warte draußen auf Sie.«
    »Ich muss zuerst mein Auto finden, aber ich könnte es schaffen«, meinte Sina, noch immer unter Schock. Wo war sein Handy? Er sollte dringend Paul anrufen. Als Burghardt aufgelegt hatte, suchte Georg in seiner Anzugjacke nach dem Mobiltelefon und fand es schließlich in der Innentasche mit dunklem Display und leerem Akku. Wo ist das verdammte Ladegerät, fuhr es ihm durch den Kopf. Wahrscheinlich im Golf.
    Auf Handys im Allgemeinen und auf den heutigen Tag im Besonderen fluchend, schlug Georg die Wohnungstür hinter sich zu und machte sich auf die Suche nach einem Taxi. Er lief mit großen Schritten die Straße hinunter in Richtung Stadt und kam sich im schwarzen Anzug und dem weißen Hemd in der Mittagshitze noch deplatzierter vor als gestern Abend.
    Das Bild einer toten Sharapova auf dem kalten Metalltisch eines Containers verfolgte ihn bei jedem Schritt. Der Schock saß tief, Georg versuchte ihn irgendwie zu verdrängen, sich abzulenken, aber es ging nicht. Die Gentzgasse schien ihm endlos lang und die Sonne brannte vom Himmel.
    Endlich bog ein Taxi um die Ecke und Georg entkam dem drohenden Hitzetod. Nach Schönbrunn sollte es nicht lange dauern, dachte er, ließ sich in die kühlen Polster fallen und hörte den Radio-Nachrichten zu, die ausführlich über die brutale Ermordung des Innenministers berichteten. Gleich anschließend gab es neue Details über das Attentat an der Wirtschafts- und Familienministerin Panosch. Georg erinnerte sich an den Abend in der Villa am Gallitzinberg und an Sharapova, an die Unruhen und die politischen Morde und schließlich an das, was Wilhelm Meitner ihm heute am frühen Morgen gesagt hatte: »Finde heraus, woran Kirschner geforscht hat. Was immer es ist, ich möchte es für unser Institut haben, schon um Kirschners willen. Aber gib acht, Georg. Es hat ihn umgebracht und ich will dich nicht auch noch verlieren.«
    Sina war sich nicht sicher, ob er sich nicht gerade verloren hatte.
    Rennweg, Wien/Österreich
    A lter Griesgram? Den hab ich gehört und den zahl ich dir noch heim, den alten Griesgram«, knurrte Berner und sah sich in dem roten Raum unter dem Rennweg um. »Und was deine Verkleidung betrifft, dieses sommerliche Allerlei für minderbemittelte Mode-Ignoranten, so ist sie nur peinlich.«
    Burghardt steckte sein Telefon weg und war unerschüttert. »Du hättest erst Dr. Strasser sehen sollen …«, meinte er und beobachtete, wie der gelbe Bagger langsam aus dem Untergrund in Richtung Himmel entschwebte. Die Feuerwehr hatte es geschafft, in rekordverdächtiger Zeit

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