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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Livrierten tuschelten. Als man feststellen musste, dass der Hausherr alle Türen zu den Salons von innen abgeschlossen hatte, waren die Diener ratlos. Mehr als zwei Stunden später öffnete sich die Tür zum Rauchsalon und der Hausherr orderte Cognac und Pfeifentabak, gleichzeitig entließ er alles Personal in die Nachtruhe. Dann zogen sich die beiden Männer wieder zurück. Es sollte fast vier Uhr früh werden, bis Metternich in einem kleinen, aber zweckmäßig eingerichteten Gästezimmer Schlaf auf einem bequemen Bett fand.
    Am Morgen nahm man gemeinsam ein leichtes Frühstück ein und danach wurde die Kutsche Metternichs mit frischen Pferden angespannt.
    Der Hausherr begleitete den Fürsten die Treppen hinunter. Man sprach über den Kaiser, und wie die erstaunten Diener feststellten, war man bereits per Du, wie es sonst nur unter gleichrangigen Adligen der Fall war.
    »Der ›depperte Nanderl‹, wie du ihn so trefflich zu nennen beliebst, hat unzweifelhaft bewiesen, dass er so deppert nicht ist«, sagte Metternich und verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln.
    »Wie bitte?« Der Gutsherr war ehrlich verblüfft.
    »Er war von dem Gemetzel, das Erzherzog Albrecht in der Herrengasse veranstaltet hat, derart schockiert, dass er darauf bestanden hat, die Waffen nicht mehr wider das Volk sprechen zu lassen. Mir hat das alles von Anfang an nicht gefallen, Ferdinand wirkte so … besonnen. Das hätte mir eine Warnung sein sollen … Der Kretin ist nämlich keiner. Er spricht mehrere Sprachen – wusstest du das? –, interessiert sich zudem für Botanik und Heraldik, daran hätte ich denken sollen …« Metternich wurde leiser, erinnerte sich an immer mehr Erlebnisse mit dem Kaiser, die ihn vorsichtiger hätten machen sollen.
    »Verstehe ich das richtig – es gibt keinen Armeeeinsatz?«, fragte der Heereslieferant alarmiert und trat hinter Metternich ins Freie.
    Der Kanzler schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt keinen. Beschluss des Kaisers.«
    »Damit auch keine Lieferungen …«, überlegte der Hausherr und verzog missbilligend den Mund. Ein Diener öffnete den Schlag von Metternichs Kutsche und klappte die kleine Treppe aus. Der Kanzler setzte den Fuß auf die erste Stufe, hielt kurz inne und wandte sich dann an seinen Gastgeber:
    »Ich habe Kaiser Ferdinand gestern meinen Rücktritt angeboten. Natürlich habe ich ihn so vorteilhaft wie möglich formuliert. Ich war überzeugt, er würde ablehnen, weil er mich braucht, mir vertraut, so wie sein Vater.«
    Der andere prustete los. »Natürlich hat er ihn abgelehnt. Was denn sonst? Ohne dich und ohne das Militär ist er verloren. Das wissen wir, das weiß er, das wissen alle.« Beim Anblick des ernsten, unbewegten Gesichtes des Kanzlers erstarb sein Lachen.
    »Er hat ihn ohne Zögern angenommen«, erwiderte Metternich hart. »Und er hat offen gesagt, dass er mir nicht die Geldmittel für meine Flucht ins Exil nach England zur Verfügung stellt.«
    Der Kaufmann winkte ab. »Geld spielt keine Rolle. Ich schicke dir morgen eine Börse in dein Palais, wie vereinbart.«
    »Ich weiß nicht, ob ich jemals zurückkehre …«, gab Metternich zu bedenken.
    Der Hausherr lachte laut. »Dann hast auch du Schulden bei mir und nicht nur der Radetzky.« Er wurde wieder ernst. »Ich werde das Bauvorhaben, das wir gestern besprochen haben, in Erwägung ziehen. Wenn der Sieg unser ist, dann wird es kurz nach dem Friedensschluss abgeschlossen und ich erwarte, dass du zur Eröffnung kommst.«
    Metternich lächelte betrübt und stieg ein. »Ich werde mein Möglichstes tun, aber ich kann nichts versprechen. Es sind unsichere Zeiten. Sollten wir uns nicht mehr sehen, dann werde ich es bedauern, ich werde aber auch mit dem Gefühl einer tiefen Befriedigung sterben. Die Weichen sind gestellt und jetzt, mein Freund, jetzt arbeitet die Zeit für uns.«
    Damit klopfte der Fürst an die Wand der Kutsche und die Pferde zogen das Gespann durch das Schlosstor. Der gedrungene Mann ging hinterher, langsam und nachdenklich, und er blickte dem Gespann nach, bis es hinter den Alleebäumen der Reichsstraße verschwunden war. Dann drehte er sich um und zerriss den Schuldschein, den der Kanzler ihm unterschrieben hatte, in Dutzende kleine Stücke, die der Wind vor sich hertrieb.
    Metternich sollte nie wieder nach Wetzdorf zurückkehren.
    Gentzgasse, Wien-Währing/Österreich
    D ie Wohnung von Wilhelm Meitner war großzügig über einen ganzen Stock eines eleganten Wohnblocks verteilt. Modern, aber gemütlich

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