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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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einen Blick auf den Fahrer, der aber voll und ganz damit beschäftigt war, einen neuen Musiksender mit anatolischen Heimatliedern im Autoradio zu speichern. Es klang, als ob jemand einer Katze auf den Schwanz gestiegen war und dazu noch mit beiden Händen in einem undefinierten Rhythmus Applaus klatschte.
    »Warum fährst du nicht in die Botschaft?«, fragte Berner, »die sollten sogar den passenden abhörsicheren Raum dazu haben.«
    »Danke, das weiß ich selbst, Bernhard«, gab Valerie seufzend zurück. »Das geht aber nicht.«
    Berner schwieg, dachte kurz nach und schaltete dann rasch. »Verstehe. Wo bist du genau?«
    Goldmann sah aus dem Fenster und blickte auf die Donau, die im Schein der letzten Sonnenstrahlen glitzerte. »Ich fahre gerade über die Reichsbrücke in Richtung UNO-City.«
    »Die Richtung stimmt«, meinte Berner, »schreib dir eine Adresse auf und gib sie dem Fahrer. Er soll dich hinbringen.«
    »Was hat das mit meiner sicheren Leitung zu tun?«, fragte Goldmann verwirrt und bat den Fahrer um Papier und einen Stift.
    »Ach, du wirst schon sehen, das ist eine seiner leichtesten Übungen«, antwortet Berner geheimnisvoll und begann zu diktieren.
    Als der Fahrer eine halbe Stunde später das Taxi anhielt, sich umdrehte und Valerie auffordernd anschaute, dachte sie, er hätte sich in der Adresse geirrt. Vor ihnen versickerte die unbefestigte Straße erst in zwei Fahrspuren, dann verlor sie sich ganz in einem Feld, aus dem Kornblumen und roter Mohn wie Farbkleckse auf einem impressionistischen Aquarell leuchteten. Valerie blickte aus dem Seitenfenster und sah ein paar schräge Zäune mit alten Plakaten, Holzstapel, durch die Gras wuchs, und einige windschiefe Baracken, die nur noch von der Hartnäckigkeit ihrer Besitzer aufrecht gehalten wurden.
    Beim Aussteigen trat sie auf einen schmutzigen, schwarz-weißen Fußball mit dem Aufdruck »euro2008«, dem schon lange die Luft ausgegangen war.
    Der Taxifahrer wendete und verschwand blitzschnell in einer kleinen Staubwolke. Die Gegend scheint nicht die beste zu sein, dachte Valerie, während sie sich umblickte. Es roch nach Wiesen und trockenem Stroh. Die mondänen Bezirke der Stadt lagen weit weg, auf der anderen Seite der Donau. Hier war alles kleiner, unaufgeräumter, ländlicher. Der Stadtrand im Osten Wiens schuf einen unmerklichen Übergang zwischen Metropole und flacher, ländlicher Peripherie.
    Auf der einen Seite des Fahrweges stand ein Bungalow aus den Siebzigerjahren, mit geschlossenen Rollläden und großen Rissen im Verputz. Ein Hund, der auf den Eingangsstufen die letzten Sonnenstrahlen des Tages genoss, rührte sich nicht.
    Ein leichter Ostwind brachte kaum Abkühlung. Es wird eine heiße Nacht werden, dachte Valerie und schaute nochmals prüfend auf den Zettel mit der Adresse. Dann ging sie los, entlang einem schiefen Eisenzaun auf ein Tor zu, das nur noch vom Rost zusammengehalten wurde und seit einer Ewigkeit nicht mehr bewegt worden war. Es hing lose in den Angeln, gestützt durch einen kleinen Baum, der auch jeden Versuch erfolgreich verhindert hätte, es jemals wieder zu schließen.
    Valerie ging hindurch und fand sich inmitten eines Labyrinths an Zylindern, Schrottteilen, achtlos weggelegten Gittern, durch die wilde Rosen wuchsen, Rohren und Stangen, Motoren und Autowracks wieder. Durch dieses Wirrwarr führte ein schmaler Fußpfad, der sich wand und schlängelte, um Hindernisse herumführte und dokumentierte, dass sich hier so schnell nichts ändern würde. Goldmann folgte ihm und stand bald vor einer überraschend großen Wellblechwerkstatt, die, hinter Bäumen und Fliederbüschen versteckt, von der Straße nicht zu sehen gewesen war.
    Durch die schmutzigen Fensterscheiben unter dem Dach blitzte das grelle Licht der Schweißgeräte auf, in einem hektischen Rhythmus, der Valerie an eine Diskothek erinnerte. Aber das durchdringende Geräusch einer hochtourigen Metallsäge und das Stakkato an Hammerschlägen passten nicht zum Bild der Tanzfläche.
    Angesichts des Lärmes ersparte sich Goldmann das Anklopfen und drückte einfach die Tür auf oder versuchte es zumindest. Nachdem sich das Tor keinen Millimeter rührte, warf sie sich schließlich dagegen, schlüpfte durch den Spalt und stand mitten im Funkenregen einer Trennscheibe, die sich durch Metall fraß. Eine Wolke von Metallstaub und der Geruch nach brennendem Schweißdraht hüllten sie ein und nahmen ihr den Atem.
    Die Hitze in der Baracke war unerträglich. Mehrere Männer mit

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