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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Stammplatz auf dem Sofa besetzt und es sich bequem gemacht. Bald war er eingeschlafen, wie das leise Schnarchen bewies.
    Ein Glas Zubrowka mit Apfelsaft in der Hand, überflog Georg die ersten Seiten des Tagebuches.
    Die mit dem Federkiel niedergeschriebenen Zeilen waren eine kaum zu knackende Nuss. Die Kurrentschrift aus dem 18. Jahrhundert war auch für einen Historiker, der keine Übung im Transkribieren entsprechender Schriftstücke hatte, schwer zu entziffern. Georg hatte Glück im Unglück und die Memoiren waren nicht, wie es der Zeit entsprach und er es befürchtet hatte, auf Französisch verfasst, sondern auf Deutsch. Sinas Schulfranzösisch hätte nicht ausgereicht, den Phrasen und Schilderungen sinngemäß zu folgen. Aber es dauerte auch so lange genug, mehr als vier Stunden, bis er sich auf die Handschrift von Matthias Fürst von Lamberg eingestellt hatte.
    Georg betrachtete sorgfältig das bemalte Titelblatt des Tagebuches und das Schild, das es zeigte. Das Wappen war wirklich beinahe identisch mit jenem der Grafen von Lamberg zu Ortenegg und Ottenstein. Schloss Ottenstein lag keine dreiundzwanzig Kilometer von Burg Grub entfernt am gleichnamigen Stausee.
    In die ungarische Linie dieses Geschlechtes, genauer gesagt in jene aus Mór im ungarischen Komitat Fejér, war Ireneusz hineingeboren worden.
    Georg hatte zunächst einmal das Tagebuch rasch quergelesen, um sich einen Überblick über die Einträge und den zeitlichen Rahmen zu verschaffen. Er musste sich eingestehen, dass er bisher nicht einmal etwas von der Existenz dieses Fürsten von Lamberg gewusst hatte. Trotzdem stöberte er jetzt in dessen intimsten Erinnerungen und das war ein seltsames Gefühl.
    Die Memoiren waren bruchstückhaft zusammengefügt, etliche Seiten waren entfernt worden. Sina war zunächst völlig unklar, ob ein System dahintersteckte, warum ganz bestimmte Ereignisse belassen worden waren, andere wiederum fehlten. Der Großteil der Erinnerungen betraf, wie es Ireneusz Lamberg richtig gesagt hatte, die Zeit Kaiser Josephs I.
    Georg stand kurz auf und legte ein paar Scheite ins Feuer, schenkte sich noch einen Wodka ein und schaute nach Tschak, der im Schlaf offenbar Kaninchen jagte.
    Vorsichtig nahm er die Aufzeichnungen wieder zur Hand und blätterte weiter. Einmal fehlten Tage, dann Wochen und Monate, manchmal sogar ganze Jahre. Aber vielleicht würde sich bei genauerem Studieren der handschriftlichen Seiten ein System abzeichnen.
    So begann Georg erneut bei den ersten Einträgen und begleitete den Adligen ab den Tagen seiner frühen Jugend, die geprägt war von einem strengen Tagesablauf und einer harten Ausbildung. Von den Morgenstunden, knapp nach Sonnenaufgang, bis zum späten Abend und dem Zubettgehen mit einem Abendgebet waren die Tage von Matthias peinlichst genau geregelt.
    Der Junge war seit Kindesbeinen an bereits in der Gunst Kaiser Leopolds I. gestanden. Dessen Sohn Joseph hatte den leichtblütigen, in Wort und Witz schlagfertigen Weltmann, zu dem Matthias herangewachsen war, vollends ins Herz geschlossen. Am Hof Josephs I. erlebte Lamberg einen kometenhaften Aufstieg vom Grafen und Kämmerer zum Reichsfürsten und Träger hoher erblicher Hofwürden. Er wurde sogar des Goldenen Vlieses für würdig empfunden.
    Aber seiner fulminanten Karriere setzte der Tod ein frühes und jähes Ende. Lamberg starb mit gerade einmal vierundvierzig Jahren, auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
    Hier brachen die Notizen im Tagebuch dann auch ab. In einer gänzlich anderen Handschrift war auf der letzten Seite vermerkt, dass Matthias Fürst von Lamberg am 10. März 1711 an einem Herzleiden verstorben war und in der Familiengruft in der Wiener Augustinerkirche seine letzte Ruhe gefunden hatte.
    Kaiser Joseph I. hatte ihn demnach nur um einen Monat überlebt.
    Georg fuhr sich mit einer Hand über die Augen und dachte nach. Das gesamte Tagebuch gründlich durchzuarbeiten war in nur einer Nacht unmöglich – und da gab es noch immer den Brief des Staatskanzlers Metternich ….
    So entschied sich Sina, die sechs Jahre im Dienst und in der Gunst Josephs I. einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Doch zuerst musste er sich die Beine vertreten und etwas frische Luft atmen. Er schenkte sich noch einen Wodka ein und nahm das Glas in den Burghof mit. Die Nacht war kühl und der Sternenhimmel prangte von einem schwarzen Himmel. Fast sah es so aus, als hätte jemand eine große Schüssel umgedreht und sie über ihn und seine Burg gestülpt.
    Er

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