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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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und eine Stellungnahme schmieren, die mich nicht den Kopf kostet. Wofür werden Sie sonst bezahlt?«
    Fürstl war der junge Schmidt ein Dorn im Auge, seit ihm die Partei den Yuppie auf den Hals gehetzt hatte. Frisch von der Uni, das Idealbild einer neuen Politikergeneration – aalglatt, arrogant und kopflastig, dabei aber schwach, verantwortungsscheu und so linientreu wie eine entgleiste Straßenbahn. Und diese geölten Haare, dachte Fürstl, so etwas hätte ich früher in der Pfeife geraucht, aber vor dem Frühstück.
    Der Kabinettschef atmete gequält aus. »Worum geht es genau, Herr Minister?«
    »Der Polizeipräsident hat mich gerade angerufen«, erklärte Fürstl knapp.
    »Und? Bekommt er die Lage endlich in den Griff?«, gab Schmidt zurück und schaute angelegentlich auf seine manikürten Nägel.
    »Sina bekommt gar nichts in den Griff«, schnaubte Fürstl, »ich habe ja seit Jahren den Eindruck, der Herr Präsident kann sich nicht einmal selbst die Schuhe zubinden.«
    Schmidt betrachtete mit vorgetäuschtem Interesse die Wappen der neun Bundesländer an der Wand und wartete auf weitere Erklärungen.
    »Soeben hat ihn der Bürgermeister fertiggemacht, weil in der Innenstadt der Teufel los ist, wer hätte das gedacht, und die Polizei völlig machtlos danebensteht. Sieht so aus, als wäre der gute Sina ziemlich am Ende mit seinem Latein. Von der Standpauke des Bürgermeisters klingen ihm noch immer die Ohren.« Der Innenminister lachte hämisch. »Jetzt hat er endlich einmal am eigenen Leib erfahren, warum der rote Genosse im Rathaus den Spitznamen ›Fiaker‹ bekommen hat.«
    Du hast es gerade nötig, dachte Schmidt und verdrehte die Augen, griff dann in seine Tasche und zog einen goldenen Kugelschreiber und ein schwarzes Moleskine-Notizbuch heraus. »Bei allem Respekt, ich täte mich mit der Stellungnahme wesentlich leichter, wenn Sie mir endlich sagen würden, was Sina berichtet hat«, entgegnete Schmidt etwas schärfer.
    »Bei allem Respekt, es ist mir im Moment scheißegal, womit Sie sich leichter tun.« Fürstl fixierte sein Gegenüber mit blitzenden Augen, lauerte nur auf eine Reaktion, um so richtig vom Leder zu ziehen. Aber die kam nicht. Schmidt starrte ihn an wie einen Gorilla im Käfig – milde interessiert.
    Der Junge ist kalt wie ein Fisch, überlegte der Minister und fuhr angewidert fort: »Aber, wenn Sie so darauf brennen, die guten Neuigkeiten zu hören, bitte: Sina hat mir mitgeteilt, dass mehrere Rädelsführer der gewaltsamen Ausschreitungen mit Erfolg verhört worden sind. Waren sicher nicht zimperlich, die Herren von den Wachstuben. Da werden ein paar Krawallmacher gegen den Türstock gestolpert sein …« Der alte, dicke Mann kicherte fast lautlos, nur sein voluminöser Bauch bebte. Seine Heiterkeit verebbte auf ihrem Weg zu seinem Kabinettschef wie eine kleine Welle am Sandstrand und erreichte ihn nie. Enttäuscht stellte Fürstl fest, dass Schmidt sich nicht von seiner Heiterkeit anstecken ließ. Gedämpft fuhr er fort: »Jedenfalls haben Autonome und Rechte getrennt voneinander ausgesagt, dass sie von Unbekannten bezahlt worden sind, die Übergriffe anzustiften.«
    »Und die anderen?«, hakte der junge Kabinettschef nach.
    »Welche anderen?«, fragte Fürstl verständnislos.
    »Na ja, die Rädelsführer waren ja nicht alleine auf der Straße …«, setzte Schmidt an, wurde aber vom Minister unterbrochen.
    »Ach so! Alle waren sie freiwillig dabei, haben aus freien Stücken an den Krawallen teilgenommen, wie Sie das ausdrücken würden, Herr Schmidt.« Fürstl wischte sich mit einem blau karierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Das war sicher eine willkommene Gelegenheit für die Burschen, ein paar Kameltreibern in den Arsch zu treten, wie ich es nenne.« Der Minister ging ans Fenster und schaute hinunter. Sprechchöre verebbten und wurden Sekunden später von anderen Parolen abgelöst.
    »Und die Linken?«
    Fürstl machte eine wegwerfende Handbewegung. »Zeig diesen asozialen Subjekten eine Uniform, auf die sie feige vermummt eindreschen dürfen, und es gibt für sie kein Halten mehr. Verdammte Anarchisten! Der Teufel soll die Bagage holen!« Und dich gleich dazu, dachte Fürstl im Stillen.
    »Und was bedeutet das alles?« Der Jungpolitiker schaute ratlos auf den Rücken seines Chefs.
    »Das, mein werter Nachwuchsparlamentarier, heißt nur, dass der ganze Affenzirkus da draußen inszeniert ist. Es bedeutet, dass ich verdammt noch einmal recht hatte! Zuschlagen mit aller

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