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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Feindseligkeiten. Aber die wollen seltsamerweise mir an die Gurgel und nicht dir, der für den ganzen Sauhaufen verantwortlich ist.«
    »Ich frage mich, was Manfred Wegscheider, der jüngste und erfolgreichste Finanzminister der Zweiten Republik, mit den Unruhen zu tun haben soll, die Sie und Ihre Leute nicht in den Griff bekommen?«, mischte sich einer von Wegscheiders ständigen Begleitern empört ein.
    Fürstl schürzte die Lippen, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. »Und ich frage mich …«, erwiderte er ruhig, »warum Sie nicht den Mund halten, wenn Erwachsene reden!« Und an den Finanzminister gewandt setzte er hinzu: »Sag deinen Arschkriechern, sie sollen spielen gehen, am besten auf die Autobahn. Aber rasch, sonst vergesse ich mich.«
    »Ja, schon gut, Konrad. Beruhige dich wieder«, erwiderte Wegscheider stoisch. Dann wandte er sich an seine Leute: »Wartet draußen auf mich. Es wird nicht lange dauern.«
    Der Innenminister sah den beiden beim Hinausgehen zu, beugte sich vor und sah Wegscheider direkt in die Augen. »Jetzt, wo die zwei unnötigen Jasager gegangen sind, können wir offen reden. Ganz ehrlich, was habt ihr euch auf dieser Finanzministerkonferenz eigentlich gedacht? Das ist doch kein Beschluss, das ist ein Beschiss.«
    Wegscheider öffnete den Mund zu einer Erwiderung, aber Fürstl hob die Hand. »Nein, sag nichts. Ihr habt euch gar nichts gedacht, weil euch die Banken fest in der Hand haben. Sagen dir Begriffe wie Rekordjugendarbeitslosigkeit, Politikverdrossenheit und Perspektivlosigkeit etwas? Arbeitslose, wohin das müde Auge blickt.« Der Innenminister schüttelte den Kopf, als er die Gleichgültigkeit im Gesicht Wegscheiders sah.
    »Wo lebt ihr eigentlich? Herrschaftszeiten, Manfred, so viele Fortbildungs- und Umschulungskurse für das Arbeitsamt könnt ihr euch gar nicht ausdenken, dass die Arbeitslosenzahlen nicht weiter explodieren. Und euch fällt nichts Besseres ein, als ›Mitarbeiter für den Arbeitsmarkt freizustellen‹ und den Managern Prämien aus Steuergeldern in den Hals zu stopfen? In den Aufsichtsräten Boni an Bankwunderkinder zu bewilligen, die alles gerade an die Wand gefahren haben? Alleine, wenn ich eure Wortwahl höre, wird mir schon schlecht. Wundert dich dann noch die Empörung dieser Menschen auf unseren Straßen?« Fürstl legte seine Hände flach auf die Glasplatte seines Schreibtisches. »Diese Konferenz war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Um ehrlich zu sein, ich habe mich schon gewundert, dass es so lange gedauert hat …« Der Innenminister winkte ab, während der Finanzminister immer wieder imaginäre Stäubchen von seinem Anzug wischte.
    Dann blickte Wegscheider auf. »Wie gesagt, Konrad, die paar Demonstranten wirst du sicher schnell wieder zur Räson bringen.« Ohne eine Miene zu verziehen, schaute Wegscheider aus dem Fenster. Langsam wurde es Abend und die Gipsfiguren an der Fassade gegenüber warfen lange Schatten.
    »Verdammt noch mal, das stellst du dir so einfach vor. Wie soll ich das denn bitte anstellen, in einem vertretbaren Rahmen? Wir leben nicht mehr im Jahr 1934! Da braucht heute Nacht nur ein unglücklicher Zwischenfall wie damals in Genua beim G8-Gipfel passieren, wo die Carabinieri diesen Jungen erschossen haben, und alle wollen meinen Kopf. Und der Kanzler, der wird ihnen den prompt auf einem Silbertablett servieren. Wie du weißt, wollen wir nach der nächsten Wahl wieder auf die Regierungsbank, egal wie. Hauptsache, wir enden nicht in der Opposition.«
    »That’s the name of the game«, gab Wegscheider kühl zurück. »Du hast auch gewusst, worauf du dich einlässt, als du zur Angelobung gegangen bist. Was kann dir denn schon groß passieren, Konrad? Du begrenzt heute den Schaden, trittst morgen zurück, hebst übermorgen deine Abfindung vom Konto ab und gehst irgendwo im Süden in Pension. Was willst du? Du warst lange genug dabei. Ich fürchte, du bist den Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr gewachsen.« Der Finanzminister hob den Kopf und sah Fürstl direkt in die Augen.
    »Du arrogantes, kleines Arschloch!« Fürstl sprang auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich war schon in der Partei, da hast du noch im Kindergarten den Spinat gelöffelt und in der Nase gebohrt!«
    Wegscheider zeigte sich von dem Ausbruch nur mäßig beeindruckt, was den alten, erfahrenen Politiker noch wütender machte: »Du hast ja keine Ahnung, was heute Nacht noch alles vorfallen kann,

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