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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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internationalen Biermarke. Der Reporter drehte das kleine Modell zwischen seinen Fingern.
    »So einer, nur in Rot?«
    Jakob nickte aufgeregt. »Aber er hat vorn noch so ein Gitter gehabt, das hat geglänzt.« Dann verstummte er, als seine Mutter ein Tablett auf die Terrasse brachte und es unter einem Sonnenschirm abstellte. Gläser und eine Flasche klirrten.
    Wagner und Jakob sahen sich verschwörerisch an. »Borgst du mir den kurz? Ich möchte ihn jemandem zeigen«, bat Wagner leise und der kleine Junge nickte eifrig. »Ich bringe ihn dir zurück und dann gibt’s auch ein großes Eis, versprochen!« Die Augen des kleinen Jungen leuchteten auf, dann wandte er sich wieder seinen überfüllten Straßen zu und machte eine neue Baustelle auf.
    Wagner betrachtete den Lkw in seiner Hand und es wurde ihm klar, dass Ruzicka an diesem Nachmittag nie eine echte Chance gehabt hatte.
    Alserstraße, Wien-Josefstadt/Österreich
    D ie Nachrichten waren beunruhigend. Die Szenen, die das österreichische Fernsehen ORF aus der Wiener Innenstadt live übertrug, erinnerten an gewalttätige Proteste in Frankreich oder Griechenland. Autos waren umgeworfen und angezündet worden, die Demonstranten hatten Barrikaden errichtet. Aus den anfangs friedlichen Protesten der Studenten war eine Eskalation der Gewalt geworden, an der nun das gesamte Spektrum der Demonstrantenszene teilnahm. Die Polizei hatte einen hermetischen Ring um die Hofburg und die Tagungssäle der Finanzminister gezogen, weitere Einsatzkräfte waren aus den umliegenden Bundesländern angefordert worden. Die Lage verschärfte sich.
    Eine Tasse Kaffee in der Hand, verfolgte Valerie Goldmann besorgt die Sondersendung im Fernsehen. Ihre kleine Wohnung in der Alserstraße lag weit entfernt von den Brennpunkten der Ausschreitungen. Goldmann, von der israelischen Armee auf Zeit beurlaubt, hatte sich vor knapp einem Jahr in der Geburtsstadt ihrer Eltern niedergelassen, nachdem sie gemeinsam mit Paul Wagner und Georg Sina das Geheimnis der beiden Kaiser Friedrich III. und Qin Shihuangdi entdeckt hatte. Ihr Vater, der nach dem Krieg als Jugendlicher nach Israel ausgewandert war, hatte ihren Entschluss, in Wien zu bleiben, mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Ihre Mutter jedoch hatte sie in ihrer Entscheidung unterstützt und Valerie selbst hatte den Schritt nie bereut. In Wagner und Sina hatte sie gute Freunde gefunden, Kommissar Berner hatte sie in sein Herz geschlossen und sie hatte Wien schätzen gelernt. Es gab mondänere und aufregendere Städte, aber die österreichische Hauptstadt bot eine Lebensqualität, die Valerie bei ihren Reisen an andere Plätze dieser Welt oft vermisst hatte.
    Als das Telefon klingelte, drehte Valerie den Fernseher leiser und nahm gedankenverloren das Gespräch an.
    »Major Goldmann! Es ist lange her, seit wir uns gesprochen haben. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei etwas Wichtigem.«
    Valerie seufzte. »Ich wusste nicht, dass Sie sich den Luxus der Rücksicht leisten, Mr. Shapiro. Das passt nicht zu Ihnen.«
    Oded Shapiro, Leiter der Abteilung »Metsada« und damit zuständig für spezielle Operationen innerhalb des israelischen Geheimdienstes Mossad, lachte leise in sich hinein. »Noch immer die alte kriegerische Valerie Goldmann«, stellte er fest, korrigierte sich aber gleich wieder: »Verzeihung, das ›alt‹ nehme ich zurück.«
    Shapiro hatte Goldmann ein Jahr zuvor als eine seiner Agentinnen nach Wien geschickt, um Israel in dem Wettrennen um das Geheimnis der beiden Kaiser einen Spitzenplatz zu sichern. Aber alles war ganz anders gekommen als geplant und Valerie war nach ihrem Einsatz nur zu gerne auf Distanz zu Shapiro und dem Mossad gegangen. Nun arbeitete sie hin und wieder in offizieller Mission für die israelische Botschaft in Wien, so wie diesmal bei der internationalen Konferenz der Finanzminister, aber es waren zumeist repräsentative Verpflichtungen. Ihr Kommandant daheim, General Danny Leder, bedrängte sie in regelmäßigen Abständen, doch wieder nach Hause zurückzukehren, und lockte sie mit dem Posten eines Militärattachés in Paris, aber Valerie konnte sich nicht entschließen. Nun, nach fast einem Jahr, löschte sie Leders E-Mails meist ungelesen.
    »Alte Gewohnheiten sterben nie«, gab Valerie zurück. »Wenn ich Sie höre, dann erwacht mein Misstrauen so schnell wie Paul, wenn ihn ein Informant anruft. Nämlich augenblicklich. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Gegen Ihren Job ist jeder Straßenkampf eine feine und

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