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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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hatten sich trotz der späten Stunde von den offenen Schlosstoren verleiten lassen und bestaunten die Pracht der vergangenen, glorreichen Tage Österreichs.
    »Morgen um acht im Büro. Gute Nacht!«, rief die Ministerin Palm zu und stieg in ihren Wagen. Mit knirschenden Reifen rollten die beiden Mercedes auf dem weißen Kies an und glitten zum großen Schlosstor wie zum Sprung geduckte Panther.
    Nussdorf ob der Traisen/Österreich
    P aul Wagner sah die Polizeikontrolle zu spät, aber die Beamten schauten gerade angestrengt auf das Röhrchen, in das ein ziemlich verärgerter Autofahrer geblasen hatte, und bemerkten den Motorradfahrer daher erst, als seine Geschwindigkeit wieder halbwegs im vertretbaren Bereich lag. Die Polizisten blickten kurz auf, aber nachdem die Honda in Richtung des Weinbauortes fuhr, war sie noch nicht wirklich interessant für sie.
    Wagner schaltete einen Gang hinunter und klappte das Visier auf. Die warme Nachtluft strömte in den Helm, es roch nach Pfirsichen und frisch gemähtem Gras. Nach einer scharfen Linkskurve kam ein kleiner Platz mit einer Art Mosaik in Sicht, das in den Straßenbelag eingelassen war. Die ländliche Hauptstraße, gesäumt von niedrigen Häusern, führte weiter leicht bergauf, von Autos links und rechts bis auf eine schmale Fahrspur zugeparkt. Fußgänger drängten sich zwischen den Häusern, wo man Bänke aufgestellt hatte und gelbe Lichtinseln die Mücken wie die Besucher gleichermaßen anzogen. Gläser blitzten und schemenhafte gerötete Gesichter leuchteten kaleidoskopartig auf, als Wagner vorbeifuhr, vorsichtig seinen Weg durch Autos und schwankende Passanten bahnend. Vom Gemeindeamt auf der linken Seite tönte schräge Musik und der Journalist verzog schmerzhaft das Gesicht. Die Band muss mindestens so viel getankt haben wie die Zuhörer, dachte er sich und wich einer rot getigerten Katze aus, die wenige Meter vor dem Vorderrad durch den Lichtkegel des Motorrads schnellte.
    »Petzi, Petzi, da bleibst!«, rief eine junge Frau, die der Katze nacheilte und beinahe in die Honda hineingelaufen wäre. Wagner schüttelte den Kopf. »Ausnahmezustand«, murmelte er und beschleunigte vorsichtig weiter die Hauptstraße bergauf.
    Nach wenigen Hundert Metern riss der Doppelscheinwerfer des Motorrads eine vertraute Gestalt aus dem Dunkel. Georg Sina stand vor der von zahllosen Rissen durchzogenen Wand eines niedrigen Bauernhauses, die Hände tief in den Taschen seiner Lederjacke vergraben, den Kopf gesenkt. Als Wagner neben ihm den Motor der Honda abstellte, blickte er auf und nickte ihm müde zu.
    »Du warst wirklich nicht weit weg«, stieß er mit gepresster Stimme hervor und legte Wagner wie zur Begrüßung die Hand auf die Schulter. Der Reporter blickte ihn fragend an. Sina schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging voraus, durch eine verrostete Gartentüre, die sich leise quietschend in den Angeln drehte. Sein Freund nahm den Helm ab und folgte ihm schweigend, zwischen Hecken von Brombeeren und Haselnüssen, durchs knietiefe Gras, das zwischen alten Obstbäumen wuchs. Die beiden Männer gingen hintereinander, immer tiefer in den stockdunklen, üppigen Obstgarten hinein. Paul wurde ungeduldig und wollte schon etwas sagen, überlegte es sich jedoch und stolperte weiter durch den dicht bewachsenen Garten hinter Georg her.
    Dann blieb Georg Sina plötzlich stehen und schaute nach oben. Wagner folgte seinem Blick. Dann wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Im leichten Luftzug baumelte ein dicker, weißer, nackter Körper an einem Ast, den Kopf schief gelegt, das Blut zog dunkle Spuren über seine Brust. Die Augen starrten angstvoll ins Leere und der Mund war weit aufgerissen. Etwas steckte darin und von da rann auch das Blut unablässig, zog neue Bahnen wie flüssige Venen über den bleichen, haarlosen Brustkorb, bis über den vorgewölbten Bauch und die Beine hinunter, bevor es ins hohe Gras tropfte.
    »Professor Gustav Kirschner, ich habe ihn heute Abend besucht, nachdem ich ihn viele Jahre nicht gesehen hatte«, sagte Georg stockend und empfand plötzlich peinlich berührt die Nacktheit seines ehemaligen Studienvaters. Er musste wegschauen und blickte zu Paul. »Wir haben getrunken und in Erinnerungen geschwelgt, wie man das so macht«, meinte er fast entschuldigend. »Dann habe ich mich verabschiedet, bin wieder losgefahren und wollte zu mir nach Hause. Aber als ich die Polizeikontrolle außerhalb des Ortes sah, wurde mir klar, dass ich doch besser nicht den

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