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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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die Wand eingelassen war. »Folgen Sie einfach dem Lärm«, meinte er achselzuckend und wandte sich wieder einer kleinen, untersetzten Frau im Abendkleid zu, die schon erwartungsvoll ihre Arme hob.
    Georg stieß die tapezierte Tür auf und stellte fest, dass sie aus Metall, schallgedämpft und dick mit gepolstertem Stoff bespannt war. Der Grund dafür erwartete ihn ein paar Stufen tiefer. An der Wand blinkte eine rote Leuchtschrift »Hölle« und ein riesiger, bis auf den letzten Platz gefüllter Tanzsaal erstreckte sich so weit Sina im Halbdunkel sehen konnte.
    Georg betrat das Inferno.
    Epileptisch zuckende Menschen bevölkerten die Tanzfläche, die von einem Laufsteg zerteilt wurde. Die dazugehörende Bühne an der Rückwand des Saales wurde von noch einem dunkelroten Vorhang verhüllt. Davor tanzten an glänzenden Dancing-Poles Gogo-Girls und halb nackte Männer mit schweißnassem Oberkörper und knappem Tanga.
    Über drei riesige Flachbildschirme an den Wänden flimmerten scheinbar willkürlich zusammengeschnittene Videosequenzen in rasend schneller Folge. Die Wirkung der stroboskopartig aufblitzenden Bilder hatte eine hypnotische Wirkung. Georg konnte seinen Blick nicht abwenden. Er erkannte Bildmaterial aus diversen, heimischen Nachrichtensendungen, Hungersnöte in Afrika, Bombardements im Dschungel, Flammenwerfer, die ihre Feuerzungen flüchtenden Soldaten hinterherschickten, die Unruhen der letzten Stunden in Wiens Straßen, schlafende, zeitungslesende oder mit ihrem Handy spielende Abgeordnete im halb leeren Plenarsaal des österreichischen Nationalrates. Immer wieder blitzten in den verschiedensten Schriftzeichen Wörter auf, viel zu kurz, um bewusst gelesen zu werden, aber lange genug, um sich in die Netzhaut einzubrennen und in den Synapsen festzusetzen. Sina kniff die Augen zusammen und versuchte, die Botschaft zu entziffern, die immer wieder über die Schirme zuckte.
    Was zum Teufel steht da, dachte er sich, bis es ihn wie ein Hammerschlag traf. Die Buchstaben bildeten immer wieder das gleiche Wort in verschiedenen Sprachen: Mors, Mort, Morte, Death, Tod …
    Georg war sich nicht sicher, ob die Tanzenden die Botschaft auch entschlüsselten oder ob sie sich unkontrolliert in ihre Gedanken schlich. Hunderte Menschen waren in einer musikalischen Trance versunken und schienen jede Kontrolle verloren zu haben.
    Da plötzlich ertönte ein Gong, der die Techno-Musik unterbrach und lange nachhallte. Wie Marionetten, denen man einen unhörbaren Befehl gegeben hatte, hörte die verschwitzte Menge auf zu tanzen und wandte sich der Bühne zu. Scheinwerfer schwenkten auf den roten Vorhang, der langsam zurückglitt. Währenddessen begleitete ein einzelner Lichtkegel eine große, blonde Frau im weißen Kleid, die gemessenen Schrittes den Laufsteg entlangging und ihren Auftritt ganz offenbar genoss. Sie trug eine federgeschmückte Maske, doch Georg meinte, den blonden Haarknoten zu erkennen, der unter dem perlenbesetzten Kopfschmuck hervorlugte. Ihm stockte der Atem. Irina?
    Wer immer die unbekannte Frau in Weiß war, sie zog Georg augenblicklich in ihren Bann. Ohne zu zögern, schritt sie majestätisch in Richtung Bühne, die Blicke der Menge genießend. Die Bildschirme zeigten Großaufnahmen ihres Gesichts, ihrer Beine und der Stöckelschuhe, ein zusätzlicher Beamer warf eine Totale ihres Auftritts auf die Projektionsflächen der Bühnenkulisse.
    Auf der Bühne angelangt, drehte sie sich langsam zum Publikum, ihrer Ausstrahlung und Wirkung voll bewusst. Leise Musik setzte ein und wie in Trance begann die Unbekannte zu tanzen, ließ kunstvoll Stola, Handschuhe, Kleid, BH fallen, bis sie sich schließlich nur mehr mit einem String bekleidet auf ein scharlachrotes Sofa fallen ließ, das von zwei muskulösen Gehilfen hereingetragen worden war. Es hatte die Form eines sinnlichen Mundes, leicht geöffneter weiblicher Lippen, und die Tänzerin räkelte sich in den weichen Kissen.
    Wenn sie so weitermacht, kriege ich noch einen Schlaganfall, dachte Georg, öffnete den Kragen und zog sich den Krawattenknopf weiter auf. Er konnte seine Augen nicht von der Frau abwenden und hatte das Gefühl, dass sein Schicksal mit dem dieser unbekannten Tänzerin irgendwie verbunden war.
    Die Unbekannte legte sich rücklings auf das Sofa und streckte beide Beine, zog ihren Slip aus und hielt schamhaft-verspielt ihre Hand vor ihr Geschlecht, bevor sie den Blick auf ihre Scham freigab. Die Kameras im Raum nahmen das Bild auf und sendeten es

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