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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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    Die Tänzerin schien nur darauf gewartet zu haben. Im nächsten Augenblick spreizte sie mit den Fingern ihre Schamlippen und ein verräterisches Glitzern wurde sichtbar.
    Georg blieb der Mund offen, aber er konnte seine Augen nicht abwenden. Die Menge blickte fasziniert auf die Frau am Sofa, es war völlig ruhig geworden in dem großen Saal, alle schienen die Luft anzuhalten.
    Die Maskierte griff mit ihren Fingernägeln nach dem Glitzern und zog langsam zwei lange Perlenketten aus ihrer Vagina. Georg fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht, spürte aber nur die Maske unter seinen Händen. Die beiden Colliers waren völlig unterschiedlich. Auf einer Schnur glänzten schwarze, auf der zweiten gelbe Perlen.
    Das Publikum fand seine Stimme wieder und tobte vor Begeisterung. Die Musik steigerte sich in triumphales Finale. Die Beamer warfen dazu die Worte
Renovatio, Réincarnation, Reincarnazione, Wiedergeburt
an die Wände und auf das Bühnenbild. Mit einem heftigen Donnerschlag wurde es stockfinster und die Menge verstummte wieder. Nach einem kurzen Moment spannungsgeladener Erwartung erstrahlte das Licht eines einzigen Spots. Am Kopf des Laufstegs, mitten unter den staunenden Menschen, stand nun im Licht des Scheinwerfers ein einzelner, fast nackter Mann. Er war von Kopf bis Fuß dick mit goldener Schminke überzogen. Seine ebenfalls überschminkten Gesichtszüge waren starr und maskenhaft. Nur ein weißes Leinentuch, mit einer goldenen Ringfibel in dekorative Falten gelegt, bedeckte seine Blöße. Auf der Stirn trug der Vergoldete einen Lorbeerkranz aus Goldblech und in der erhobenen Hand eine brennende Fackel.
    Georg runzelte die Stirn, als das Publikum bei seinem Anblick völlig ausrastete. Alle schoben, drängten, schubsten und wollten so nahe wie möglich an den Laufsteg heran, um den goldenen Mann nur einmal zu berühren. Der genoss sichtlich die Ovationen und verdrehte theatralisch die Augen zum Himmel, streckte seine Arme aus. Dann zuckten und bebten seine Muskeln, als stünde er unter dem Einfluss eines heftigen Rauschmittels.
    Was um Gottes willen ist das?, fuhr es Georg durch den Kopf. Das neue goldene Kalb? Zum ersten Mal an diesem Abend bekam er wirklich Angst. Die Menge rund um ihn schien jede Kontrolle verloren zu haben, alles kreischte und winkte, stieß sich an und lachte wie verrückt.
    Da spürte Sina plötzlich eine Hand auf seinem Arm. Die stumme Begleiterin, die ihn empfangen hatte, als er die Villa betrat, stand neben ihm und zog ihn mit sich fort. Sie führte den Wissenschaftler zielsicher durch die ekstatisch kreischende und zum Laufsteg drängenden Frauen und Männer zu einem Seitenausgang.
    Georg folgte ihr aufatmend. Das war nicht seine Welt, er hatte von jeher eine Abneigung gegen Menschenmengen, sah sie als wahrhaft körperliche Bedrohung.
    Ein schmaler Gang führte tiefer in den Keller hinein, Kristalllüster spendeten ein diffuses Licht und ein hochfloriger Teppich dämpfte die Schritte. Der Gang endete in einem reich mit Figuren und Arabesken verzierten Türsturz. Seine maskierte Begleiterin blieb vor einer dunklen Holztür stehen, die weder Türknopf noch Klinke aufwies. Dann drehte sie sich um und tat etwas Merkwürdiges: Sie begann, seinen Hemdkragen wieder zuzuknöpfen, die Krawatte festzuziehen und gerade zu richten. Dann strich sie seinen Anzug glatt, knöpfte das Sakko zu und fuhr mit den Fingerspitzen unter dem Revers entlang. Ihre braunen Augen musterten ihn von oben bis unten kritisch.
    Der Wissenschaftler kam sich vor wie ein Schüler, der vor dem Büro des Schuldirektors noch schnell präsentabel gemacht werden sollte. Doch da klopfte seine Begleiterin bereits drei Mal an die Tür, die sofort von einer rothaarigen »Stummen« geöffnet wurde. Sie neigte kurz den Kopf, aber Georg blickte fasziniert auf die beiden Dobermänner mit Diamanthalsbändern, deren Fell makellos glänzte und die links und rechts neben der Rothaarigen standen. Die beiden Muskelpakete auf vier Pfoten ließen ihn nicht aus den Augen. Was Georg beunruhigte, war, dass sie nicht angeleint waren.
    Die »Stumme« hielt Sina ein Kuvert hin und unter den wachsamen Augen der beiden Dobermänner riss Georg den Umschlag auf. »Tempus fugit«, stand darauf … Sina nickte und vervollständigte den Spruch: »Amor manet.«
    Die Rothaarige trat zur Seite und auf ihren kurzen Pfiff hin verschwanden auch die beiden Wachhunde. Georg war zunächst ratlos,

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