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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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doch dann machte er einen Schritt vorwärts und hinter ihm fiel die schwere Tür ins Schloss.
    Er fand sich im Halbdunkel wieder, direkt vor einem schweren, purpurfarbenen Samtvorhang, der geschlossen war. Sina blickte sich ratlos um, aber die beiden Frauen waren verschwunden. Er war allein.
    »Ich stürm voran, wo Engel furchtsam weichen …«, murmelte er leise und zog den Vorhang auseinander. Vor seinen Augen öffnete sich ein Gewölbe, das von Hunderten Kerzen erhellt war. Ein Dutzend Frauen in langen weißen Gewändern standen im Kreis um eine Gruppe sitzender Männer in dunklen Umhängen und schwarzen Masken. Die Dienerinnen hielten silberne Kerzenleuchter in ihren Händen und sie zitterten nicht.
    Die Männer schauten Georg erwartungsvoll entgegen. Sie kamen ihm vor wie ein Gremium eines Weisenrates, das rund um einen Tisch versammelt war und auf ein weiteres Mitglied wartete.
    »Sei gegrüßt, Bruder, in unserem Kreis!«, richtete einer der Maskierten das Wort an ihn.
    »Den Gruß erwidere ich, ob wir Brüder sind, das weiß ich noch nicht«, antwortete Georg und ärgerte sich, dass er auf die geschraubte Redeweise eingegangen war.
    Ein aufgeregtes Murmeln des Weisenrates folgte auf seine Erwiderung.
    »Wir freuen uns, dass du schließlich den Weg in unsere Mitte gefunden hast«, fuhr der erste Redner unbeirrt fort und gebot mit einer Handbewegung der Runde zu schweigen, »aber wir bemerken mit Bedauern, dass du den Ring deines Großvaters nicht mehr am Finger trägst.«
    Georg war erstaunt und fühlte sich andererseits ertappt. Er blickte auf den leeren Ringfinger seiner rechten Hand und dachte kurz nach. »Ich weiß ja nicht, was Sie das angeht, aber um ehrlich zu sein, fand ich ihn nicht mehr zeitgemäß«, sagte er dann und schaute die Runde irritiert an.
    »Zu deiner Entschuldigung nehmen wir an, dass dich deine Frau beeinflusst hat, auch mit dieser Tradition deines Standes zu brechen?«, sagte ein anderer Maskierter vorwurfsvoll.
    Sina spürte, wie Wut in ihm hochstieg. »Langsam finde ich es unerträglich, wie viele Menschen Details aus meinem Privatleben kennen und sie mir dann auch noch unverschämt servieren«, gab er zurück und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich bin für Ihre Schulbub-vor-der-Prüfungskommission-Nummer etwas zu alt, finden Sie nicht? Außerdem habe ich zu viel erlebt, um mich von ein paar Typen, die sich hinter ihren Masken verstecken müssen, vorführen zu lassen.«
    Mit diesen Worten zog Sina seine Maske ab und schaute die Mitglieder des Rates herausfordernd an. Doch keiner tat es ihm gleich.
    »Das habe ich mir gedacht«, murmelte er. Lauter sagte er: »Was den Ring betrifft, so war es mein freier Entschluss. Falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, in den letzten neunzig Jahren hat sich so einiges verändert. Ich besitze also keinen ›Stand‹ mehr … Georg Simon Freiherr von Sina ist Vergangenheit, ein Teil der Geschichte. Und die sollten Sie auch nicht vergessen, vor allem dann nicht, wenn Sie österreichische Staatsbürger sind.«
    Georg blickte herausfordernd in die Runde, aber er erntete keine Reaktion. Alle starrten ihn an, schienen ihn zu mustern und zu warten.
    »Hat es Ihnen jetzt die Stimme verschlagen, meine Herren?«, sagte er lakonisch, »wer immer Sie auch sind?« Mit einer einzigen Handbewegung warf er seine Maske auf den runden Tisch in die Mitte des Rates. Die Männer sprangen auf und …
    »Halt!«, rief da eine Stimme neben ihm und alle erstarrten.
    Georg wandte sich um und ließ die Arme wieder sinken.
    »Du wirst die Regeln deiner Gastgeber ehren …«, forderte ein Maskierter, der unbemerkt hereingekommen war und nun neben Sina stand.
    »Oder was?«, knurrte Sina.
    »Oder du wirst unseren Zorn zu spüren bekommen, Bruder!«
    »Und was wollen Sie von mir?«, fragte Georg. Er war sich nicht sicher, wie lange er dieses Spielchen noch mitmachen würde. Andererseits stand das Kräfteverhältnis etwas zu seinen Ungunsten. Er wünschte sich, Paul und Valerie wären hier.
    »Wir wollen dir eine einfache Frage stellen, mehr nicht«, meldete sich einer des Rates zu Wort.
    Georg nickte lediglich.
    Einer der Maskierten aus der Runde trat vor Sina und begann mit feierlicher Stimme zu sprechen: »Bist du es leid, durch eine unrechtmäßige, revolutionäre Verfassung deiner Titel verlustig zu sein? Erträgst du es nicht mehr, mit anzusehen, wie Unwürdige den Reichsrat besudeln? Willst du den Hilfe suchenden und immer lauter werdenden Ruf des Volkes nach

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