Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
war.
Einige der Zuschauer beschlossen umzukehren oder eines der umliegenden Geschäfte aufzusuchen, um so einer Eskalation auszuweichen. Sie versuchten sich am Rand entweder an den streitlustigen Jugendlichen oder den unheimlichen Mitgliedern dieser neuen Sekte vorbeizudrücken, was manchen gelang, anderen nicht.
»Wohin willste denn, Opa? Hast wohl Schiss zwischen die Fronten zu geraten – oder willste nur schnell nach Hause zu deinem Internetballerspiel?«, hielt ein rothaariger, schlaksiger Junge einen älteren Herrn auf. Grölendes Gelächter belohnte ihn für diese verbale Attacke.
Der gut gekleidete Herr versuchte die Provokation zu ignorieren und sich in eine Drogerie zu flüchten, doch er wurde vom Rothaarigen grob am Arm gepackt.
»Hiergeblieben, Opa! Erst mich blöd anmachen und dann verschwinden wollen!«
Der betagte Herr im Anzug reagierte unerwartet.
Er riss seinen Arm barsch zurück, zog ein Handy aus der Tasche und hielt seinen Daumen über eine Kurzwahltaste.
»Noch ein Wort und ich alarmiere die Polizei. Gleichzeitig werde ich ein Bild von jedem von euch machen und es den Beamten zur Verfügung stellen«, zischte er und lächelte dabei den jungen Rowdy strahlend an.
In diesem Moment brach der Tumult los: Von irgendwoher kam eine Coladose angeflogen und traf einen der Blauen an der Stirn. Blut floss, der Getroffene wurde bleich und taumelte, wurde gehalten und gestützt. Andere Geschosse folgten und die Mind Watchers wichen zurück. Einige der Dosen platzten und die braune Flüssigkeit spritzte wild zischend auf die Umstehenden. Die Polizei, die den Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen sah, drängte von der Burgstraße aus nach und unversehens sahen sich die Wahrer des reinen Geistes in die Mitte genommen. Bestürzt versuchte Einsatzleiter Hannemann seine Kräfte umzudirigieren, als er bemerkte, wie die Mind Watchers eingekesselt und auf die gewaltbereiten Jugendlichen zugedrängt wurden.
»Lasst den Blauen eine Rückzugsmöglichkeit offen!«, wies er seine Beamten an – doch gerade an dieser Stelle war das nur schwer möglich. Die Mitte der demonstrierenden Mind Watchers wurde direkt in die Arme der Jugendlichen geschoben, während am Rand einige in ein Schuhgeschäft zu entkommen versuchten. Lautes Johlen hatte den Aufmarsch der Polizisten begleitet. Menschen, die erkannten, was an der Ecke am Turm los war, versuchten, zum Schlosskirchplatz zu kommen, denn von dort aus standen Fluchtwege in mehrere Richtungen offen.
Unerbittlich zwängten sich die Einsatzkräfte vor. Mit ihren weißen Helmen und der dunkelgrünen Schutzkleidung fielen sie in der einheitlich blauen Gruppe besonders auf.
»Kommt her, kommt! Prügeln ist ja eh das Einzige, was ihr könnt, ihr Bullenschweine!«, war eine Stimme aus der Gruppe der Angreifer zu hören. Dann stoben die Jugendlichen plötzlich auseinander und flohen in die unterschiedlichsten Richtungen, über die Sprem zum Altmarkt, zum Heronplatz, über den Schlosskirch-platz in Richtung Gertraudenstraße. Beamte der Polizei stürmten hinterher und warfen zu Boden, wen sie packen konnten. Genauso unvermittelt, wie das Chaos begonnen hatte, war es auch wieder vorbei.
Ungefähr 20 Randalierer fanden sich gut vertäut in den Einsatzwagen der Polizei wieder.
Eine hochbetagte Dame mit weißem Haar, einem kecken Hütchen und einem knorrigen Stock als Stütze sah den gut gekleideten, älteren Herrn voller Begeisterung an.
»Das war aber mutig von Ihnen, Herr Mehring, alle Achtung! Toll – jetzt habe ich heute Nachmittag jede Menge zu erzählen bei unserem Kränzchen! So viel Aufregung auf der Straße – fast wie beim Karneval, finden Sie nicht?«
Wilhelm Mehring warf ihr einen bösen Blick zu und sie sah beschämt zu Boden.
»Na, in unserem Leben ist doch nicht mehr so viel los. Da freut man sich über jede Abwechslung!«, protestierte sie schwach.
Wilhelm Mehring ließ die vergnügungssüchtige Dame einfach stehen und wandte sich abrupt um. Er hatte genug gesehen.
»Diese Eskalation war nicht vorauszusehen! Das können Sie doch nicht uns in die Schuhe schieben wollen! Die Dosen haben die anderen geworfen! Und Ihre Beamten haben uns direkt in deren Arme getrieben – Ihre Leute standen falsch!«, regte Paul Mehring sich auf. Er hatte von einem der Sanitäter ein Coolpack bekommen, das er auf sein linkes Auge presste.
»Die Zusammenkunft war genehmigt, richtig. Aber Ihre Mind Watchers haben unsäglich provoziert! Das können Sie doch wohl nicht
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