Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Informationen beisteuern: Er war leicht überernährt, sonst in altersentsprechendem Zustand. Blut in der Thoraxhöhle und im Herzbeutel, eine Perforation der linken Herzkammer. Einige andere Auffälligkeiten, die ich erst abkläre, bevor ich abschließend etwas dazu sagen kann«, schloss er geheimnisvoll.
»Tja – und natürlich die Narben.«
Er gab dem Sektionsassistenten ein Zeichen und gemeinsam drehten sie das Opfer auf den Bauch.
Peter Nachtigall sog scharf die Luft ein und starrte gebannt auf den geschundenen Körper. Albrecht Skorubski hielt den Atem an.
»Vielleicht war er ein Abenteurer – wir haben auch verheilte Knochenbrüche gefunden, zweimal linker Unterarm, zweimal Rippen und einmal das rechte Schienbein. Bemerkenswert ist, dass diese Narben nur am Rücken zu finden sind«, selbst Dr. Pankratz Stimme klang betroffen.
Unzählige lange und kurze Narben zogen sich quer und längs über Schultern, Rücken und Gesäß des Mannes. Manche waren durch Keloid verdickt und hatten das umgebende Gewebe faltig eingezogen. Andere waren flach, dünn und kaum zu sehen, einige breit gedehnt, als habe es lange gedauert, bis die Wunde geschlossen war.
»Eine Peitsche oder ein dünner Stock, würde ich sagen«, ergänzte der Rechtsmediziner mit gesenkter Stimme. »Geblutet haben sie sicher alle. Und so, wie einige von ihnen verlaufen, konnten sie nur schlecht heilen. Permanenter Zug durch Bewegung zum Beispiel – oder hier auf dem Gesäß ... Einige sind sehr tief, andere eher oberflächlich. Als hätte der Schläger mal mit mehr und mal mit weniger Wut gezüchtigt.«
»Die Narben sind allesamt alt, nicht?«, Nachtigall flüsterte nur noch.
»Ja, ich denke, die Verletzungen wurden ihm beigebracht, als er noch ein Kind oder Jugendlicher war.«
»Vom Vater womöglich.« Nachtigall dachte an Wilhelm Mehring und fragte sich, ob dieser Mann wirklich als Verursacher in Frage kam.
»Nun, früher war Prügel eine durchaus übliche Form der Bestrafung. Aber vielleicht war es auch ganz anders. Wenn der Vater noch lebt, können Sie ihn ja fragen.«
Das werde ich, dachte Peter Nachtigall zornig entschlossen, das werde ich!
11
»Was haben wir?«, eröffnete Peter Nachtigall wie üblich die abendliche Runde.
»Jetzt hab ich schon so viele Bänder gesehen und doch no keinen Täter g’funde. Aber viel könne nun nicht mehr übrig sei, also werde ich den Kerl bald entdecke.«
Nachtigall freute sich über den Eifer des jungen Kollegen, der mit seiner Freundin aus Baden-Württemberg nach Cottbus gezogen war. Sie studierte Biologie in Berlin und er selbst war Nachtigalls Team zugewiesen worden. Wenn Michael Wiener sich festgebissen hatte, blieb er unbeirrt bis zum Schluss an der Sache dran – und sein Dialekt, der ab und zu noch durchbrach, machte den ohnehin freundlichen Ermittler noch sympathischer. Bei Vernehmungen sprach er inzwischen Hochdeutsch, um Verständigungsprobleme zu vermeiden, aber im Büro fiel er immer wieder ins Badische zurück, vor allem wenn er aufgeregt war.
»Todesursache ist eindeutig – Todeszeitpunkt eher gegen Ende des Spiels«, Nachtigall erhob sich und trat an die Pinnwand an der Stirnseite des Raumes.
Hass , stand auf dem Pappstreifen, den er mit einer Nadel anheftete.
»Ein prima Mordmotiv: klassisch, setzt ungeahnte Kräfte frei, lässt Täter ›über sich hinauswachsen‹. Nur, wer könnte ihn so sehr gehasst haben?«
»Paul Mehring«, antwortete Skorubski, »von ihm wissen wir, dass sein Jähzorn ihn zu risikoreichem Verhalten verleiten kann. Er hat sich ständig mit dem Vater gestritten. Möglicherweise gab es einen akuten Vorfall, ein Telefonat zum Beispiel, und der Sohn packt die Waffe ein und ab ins Stadion.«
»Was ist mit dem Vater? Er hat das Gefühl gehabt, sein Sohn sei auf dem besten Weg, den Familienbetrieb zu ruinieren. Er wollte in einer Art Verzweiflungsakt wenigstens den Rest retten.«
»Möglich. Er wirkt sehr abgeklärt, aber das kann ja täuschen. Ich werde ihn auch wegen der Narben des Opfers noch befragen. Vielleicht ist er so jähzornig wie der Enkel.«
»Ja, gut«, meinte Skorubski, »und er hätte ihn nach seinem Auszug auch nicht einfach zu Hause ermorden können. Aber er hat sicher gewusst, dass er regelmäßig zu den Heimspielen gegangen ist.«
»Hat die Stadionkontrolle inzwischen eine Erklärung dafür geliefert, wie jemand dieses Ding mit ins Stadion nehmen konnte?«
»Ja – sie habe ein Fax g’schickt. Sie kontrolliere immer penibel, aber
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