Narrentod
des Wettkampfes aussagen ?«
»Seit wann schreiben Sie eigentlich für die Zeitung, Herr Feller? Bisher hat solche Interviews doch immer Frau Wenger durchgeführt .«
»Stimmt. Aber ich schreibe neuerdings als freier Mitarbeiter. In meiner Funktion als Detektiv bin ich in Thun nicht ganz ausgelastet. Allerdings gibt es leider Anzeichen dafür, dass sich das in Kürze ändern könnte. Oder soll man sagen, zum Glück ?«
»Warum arbeiten Sie dann nicht beispielsweise als Sozialspion? Die werden doch jetzt überall in den Gemeinden eingeführt? Das würde doch besser zu einem Detektiv passen, oder ?«
»So weit kommt es noch, Frau Akert. Vor allem, wenn Sie mir heute nichts über die Favoriten des Gesslerschießens verraten.«
»Jetzt reagieren aber Sie etwas übersensibel, lieber Herr Feller .«
»Dann verzeichnen wir ja Punktegleichstand«, scherze ich mit schmerzlichem Gesichtsausdruck. Damit kommt man beim Schmerzeli gut an, vermute ich. Zu Recht. Sie quittiert meine Bemerkung mit einem unpassend schrillen Lacher. Gleichzeitig zerspringt am Nebentisch ein Glas. Eindrücklich. Aber kein Uri-Geller-Trick. Ein Grosi hat bloß das Wasserglas fallen lassen, das ihr zum Espresso gereicht worden ist.
Ein Trommelwirbel buhlt um unsere Aufmerksamkeit. Das Turnier hat begonnen. Wer wird dieses Jahr Gesslerschütze? Als Favorit hat mir Frau Akert, unter anderen Schützen, auch Stefan Murer genannt. Dazu hat sie eine interessante Bemerkung gemacht.
»Ich möchte ihm den Sieg wirklich gönnen .«
»Warum gerade ihm, Frau Akert?«
»Weil er Pech hatte .«
Ich schaue sie fragend an. Es funktioniert. Sie erzählt weiter.
»Er wäre von seinen Leistungen her eigentlich als Kadettenhauptmann infrage gekommen. Er hatte genauso viele Punkte wie Melanie Eichenberger. Melanie besucht den Prögu und Stefan die Oberstufenschule Buchholz. Traditionellerweise wird einem Prögu - Kadetten der Vortritt gegeben. Auch wenn dieser Umstand vom Rektorat vehement bestritten wird. Weil Melanies Mami die Präsidentin des Kadettenvereins ist, galt die Beförderung ihrer Tochter zum Hauptmann als sicher. Falls Stefan heute wenigstens Gesslerschütze würde, wäre der Gerechtigkeit Genüge getan und dem verdeckten Gerangel zwischen den Vorrechten beider Schulen die Basis entzogen .«
»Da soll einer noch sagen, in unserer Stadt sei nichts los«, kommentiere ich.
Frau Akert lässt erneut ihr erfrischendes Lachen erklingen. Dieses Mal zerspringt wenigstens kein Glas. Dafür ertönt schon wieder ein Trommelwirbel. Dem Gessler geht es heute ganz schön an den Kragen. Und dem Täter?
18
Ich stehe im Schützenhaus.
Frau Akert hat mich dorthin eingeladen, damit ich live mit dabei sein kann, wenn der Gesslerschütze erkoren wird. Ich drücke mich an die Wand und hoffe, nicht erschossen zu werden, denn die aufgeregten Armbrustschützen spannen rund um mich herum ihre Bogen. Sie legen die Pfeile vor die gespannten Sehnen und streiten um die Reihenfolge der Schussabgabe. Es herrscht eine angespannte Stimmung. Haben sie ihre Waffen wirklich im Griff?
In immer kürzeren Abständen ertönen die Trommelwirbel, und die Schützen arbeiten sich Schuss für Schuss näher an die Medaille heran. Dann geschieht, worauf Hunderte von Zuschauerinnen und Zuschauern unten auf der Straße zwischen Täntsch und Schützenhaus seit mindestens einer halben Stunde gebannt warten: Die Medaille wird angerissen. Der Gessler ist tot!
Die Schützen umscharen den stolzen Kameraden und gratulieren. Neben der Ehre, sich im anschließenden Umzug von der Bevölkerung feiern zu lassen, fällt die Trophäe eher gering aus. Frau Akert übergibt dem treffsicheren Schützen feierlich ein Päckli Fulehungläckerli. Das ist alles.
Das würzige Festtagsgebäck ist ausschließlich während dem Ausschiesset in den regionalen Bäckereien zu finden. Es handelt sich um ungefähr 11 x 17 Zentimeter große, nur wenige Millimeter dicke , steinharte Lebkuchen. Sie tragen auf der Oberseite eine großzügige Schicht weißen Zuckerguss. Da kann der Lällekönig seine Baslerläckerli zusammenpacken.
Mehrere Fulehungläckerli werden zusammengebündelt und mit einem bunten Band fixiert. Zuoberst auf jedem Packen liegt eine der schönen Lithografien, die von regionalen Künstlern gestaltet sind. Ein spezielles Vergnügen stellt das Brechen dieser brettartigen Schleckereien dar. Das knackende Geräusch lässt sich besonders intensiv erleben, wenn das sperrige Gutzi auf der einen Seite mit den
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