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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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erinnert an die Notwendigkeit ihrer Einlieferung.
    Im Bett daneben hüstelt eine spindeldürre, beinmagere junge Frau mit blauen Lippen und einem Nasenpiercing, mehrfach gelochten Ohrläppchen und einem Totenkopftattoo am Hals. Da wird es ihr nicht allzu viel ausmachen, dass in ihrem Unterarm zusätzlich eine Infusion steckt.
    Auf dem gemeinsamen Tischchen zwischen den beiden Betten stehen rote und gelbe Gladiolen in einer hohen Vase. Um das Bouquet herum sind mehrere Tablettenschachteln, ein Thermoskrug und zwei gebrauchte Teetassen verteilt. Im Fernseher an der Decke läuft RTL 2. Das schwindsüchtige Geschöpf stellt den Kasten auch nicht leiser, als wir unser Gespräch fortsetzen.
    »Sie haben im Schießstand neben meinem Sohn gestanden, als mir das Malheur passierte, und mich freundlicherweise vor dem Holzbänkli bewahrt, wie mir Stefan erzählt hat .«
    »Ähm. Also eigentlich …«
    Frau Murer unterbricht mich und erspart mir eine Richtigstellung.
    »Sie haben sicher mitbekommen, dass der Auslöser für meinen Zusammenbruch nicht die Begegnung mit dem Fulehung war ?«
    »Nun gut. Es machte aber schon den Anschein«, wende ich ein.
    »Nobis. Sie müssen wissen, dass ich nicht wegen seiner lächerlichen Kostümierung erschrocken bin .«
    »Sondern?«
    »Es wäre mir peinlich, wenn herumgeboten würde, dass eine bewährte Stadthostess dem Anblick des Fulehungs nicht gewachsen gewesen wäre .«
    »Verstehe. Und was genau erwarten Sie jetzt von mir, Frau Murer ?«
    »Ich habe von Frau Akert gehört, dass Sie als freier Mitarbeiter über den Ausschiesset berichten wollen ?«
    Eine verzwickte Situation. Mein Vorwand gegenüber Frau Akert entwickelt sich zur ausgekochten Lüge. Falls Frau Wenger davon erfährt, gerate ich in Schwierigkeiten. Immerhin stand sie im Schützenhaus bereits voller Tatendrang bereit. Nur dank der Ohnmacht von Frau Murer kam es nicht zur peinlichen Konfrontation zwischen der beauftragten Reporterin und dem selbst ernannten Hobbyjournalisten. Frau Akert hätte zweifellos eine Erklärung von mir verlangt. Wie hätte ich diese aber unter Wahrung der Geheimhaltung glaubhaft vermitteln können? Ich denke, es ist besser, das Spielchen auch mit Frau Murer weiterzuspielen und dann so rasch als möglich zu verduften.
    »Ja, ich habe vor, dem Thuner Tagblatt einen kleinen Beitrag anzubieten, den ich über die Festivitäten zu verfassen beabsichtige. Aber verstehen Sie mich recht, Frau Murer. Ich habe keinen offiziellen Auftrag. Ich will bloß schauen, ob ich da reinkomme, in diese Journalistenzunft .«
    Die geschwächte Hostess hört aufmerksam zu. Dann ergreift sie den Handbügel am Galgen über ihr, zieht sich daran hoch und setzt sich aufrecht. Sie wirkt dadurch schon fitter.
    »So ist das. Dann sind sie gerade der Richtige für mich. Sie könnten mir einen großen Gefallen tun, Herr Feller .«
    »Und das wäre ?«
    »Sie könnten in ihrem Artikel erwähnen, dass die Mutter des diesjährigen Gesslerschützen einen Schwächeanfall erlitten hat, weil im engen, stickigen Raum des Schützenstandes die Zufuhr von Frischluft zu wünschen übrig ließ. Schwächeanfall, nicht Schock, verstehen Sie ?«
    »Ach ja. Bei der Gelegenheit. Ich gratuliere Ihnen noch zu Ihrem ruhmreichen Sohn, Frau Murer .«
    »Sie scherzen. Danke trotzdem. Es ist wahr. Ich bin stolz auf Stefan. Wissen Sie, als wir erfahren mussten, dass ihm Melanie Eichenberger als Hauptmann vor die Nase gesetzt würde, waren wir maßlos enttäuscht. Immerhin übertreffen Stefans Leistungen die von Melanie in jeder Hinsicht. Die Schützenehre stellt jetzt eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit dar .«
    »Ich habe von der Sache gehört und teile Ihre Meinung, Frau Murer .«
    »Danke, Herr Feller.«
    »Und der Fulehung? Er wird auch erleichtert sein, dass der Junge noch zu Ehren gekommen ist .«
    »Wie meinen Sie das ?« , wundert sich Frau Murer.
    »War Fabian Eichenberger nicht mal ihr Gatte und Stefans Adoptivvater ?«
    »Doch. Das stimmt. Woher wissen Sie es ?«
    »Die Gemäuer der Altstadt haben Ohren, Frau Murer .«
    Sie lacht kurz auf und hebt dazu verspannt den Kopf. Danach lässt sie sich in die weißen Kissen zurücksinken.
    »Ja, nun halt. Fabian steckte bestimmt in einer Zwickmühle. Einerseits freute er sich über den Erfolg seines Adoptivsohnes. Andererseits verbinden ihn mit seiner Stieftochter Melanie natürlich auch väterliche Gefühle. Jedenfalls kam die Gratulation im Schützenhaus von Herzen .«
    »Diesen Eindruck habe ich auch

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