Narrentod
Mord hat das kaum was zu tun«, winke ich ab. »Was ist mit Weibel ?«
»Auch der scheint ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen zu können. Es entspricht zwar den Tatsachen, dass er sich kurz vor dem Mord noch im Schulhaus aufgehalten hat. Dort deponierte er nach eigenen Angaben einen Stapel frischer Frotteetücher für den Fulehung . Die Wäsche habe ich auch höchstpersönlich in der Garderobe aufgestapelt gesehen, als ich heute Nachmittag nochmals an den Tatort zurückgekehrt bin«, sagt Jüre.
»Wenn Weibel dem Maskierten gefolgt wäre, dann hätte er der Stadthostess direkt in die Arme laufen müssen. Sie kann sich aber nicht daran erinnern, ihm dort um diese Zeit begegnet zu sein. Weibel stieg vielmehr die Kirchentreppe zur Hauptgasse hinunter, wo er sich in den Lauben vor dem Platzregen in Sicherheit brachte. Auf Murer wartete die Reisegruppe, die sie anschließend in die Altstadt hinunterführte, als ich die Treppe hochgestiegen bin .«
»Wer bleibt dann deiner Meinung nach noch als möglicher Täter oder mögliche Täterin übrig ?« , will Jüre wissen.
»So leid es mir tut. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass Lilo Barben-Bigler einen großen Fehler begangen hat. Einen mehr. Nur dass sie dieses Mal nicht ungeschoren davonkommen wird«, bin ich überzeugt.
»Könnte es sein, dass du im Fall der Rektorin befangen bist ?« , wagt Jüre einzuwenden.
»Könnte. Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. Eine unbefangene.«
»Was tun wir jetzt ?«
»Wir gehen zu Lilo und konfrontieren sie mit unserer Vermutung«, schlage ich vor.
»Bist du dir da sicher ?« , fragt mein zögerlicher Assistent.
»Sicher«, dopple ich nach.
»Sollten wir uns nicht mit Geissbühler absprechen ?«
»Keinesfalls«, erwidere ich brüsk, um nicht die geringsten Zweifel aufkommen zu lassen. Diesen Triumph lasse ich mir nicht nehmen, Li LL o am Arsch zu kriegen. Späte Rache, süße Rache.
»Ich überlege mir inzwischen, ob ich mich dann als Rektor im Prögu melden soll, wenn sie im Knast hockt«, scherze ich.
Jüre wirkt verwirrt. Er schaut mich an, als hätten mich alle guten Geister verlassen.
»Wie war’s im Spital ?« , fragt er besorgt.
»Grässlich.«
»Was wollte Frau Murer ?«
»Ach, nichts Wichtiges. Sie bangt um ihren guten Ruf. Das ist alles. Ich habe ihr versprechen müssen, im Artikel ihren Zusammenbruch als eine Art Hitzestau darzustellen .«
»Seit wann schreibst du denn für die Presse ?«
»Da bin ich so reingerutscht. Ursprünglich war er mein Vorwand zum Treffen mit Frau Akert. Erinnerst du dich nicht ?«
»Jetzt wo du’s sagst. Hast du im Spital Neues erfahren ?« , fragt Jüre.
»Leider nein«, antworte ich.
»Ein Narrengang also?«
»Kann man so sagen. Das heißt, die eine Bemerkung fand ich im Nachhinein doch bemerkenswert .«
Jüre nickt mir ermunternd zu.
»Frau Murer wollte wissen, warum Fabian Eichenberger ausgetauscht wurde .«
»Eichenberger? Es ist doch Dummermuth, der ersetzt wurde«, wundert sich Jüre.
»Ja, aber sie ist der felsenfesten Überzeugung, Eichenberger bei der Fahnenübergabe vom Montag erkannt zu haben .«
»Am Montag war mit Sicherheit Dummermuth der Darsteller«, hält Jüre dagegen.
»Klar. Sie hat sich getäuscht. Da sieht man wieder, dass man sich nicht immer auf Zeugenaussagen verlassen kann. Aber eine Sache bleibt dennoch ungeklärt«, sage ich.
Jüre schaut mich fragend an.
»Welche Sache?«
»Woher weiß Frau Murer überhaupt, dass auf die Doppelbesetzung zurückgegriffen werden musste ?«
»Stimmt. Wenn sie annimmt, dass Eichenberger bereits am Montag den Pajass gespielt hat, dann sollte sie eigentlich nicht daran zweifeln, dass er auch am Dienstag die Rolle mimt«, folgert Jüre.
»Genau. Sie widerspricht sich irgendwie selbst .«
»Falls sie davon Kenntnis hat, dass zuerst Dummermuth an der Reihe war und Eichenbeger ihn danach ersetzt hat, muss sie davon ausgehen, dass Dummermuth aus irgendeinem Grund ausgefallen ist. Gleichzeitig behauptet sie aber, die konstante Identität des Fulehungs seit Beginn des Festes beobachtet zu haben«, stelle ich fest.
»Seltsam. Das stimmt. Vielleicht ist sie vom Sturz noch etwas durcheinander ?« , vermutet mein mitfühlender Assistent.
»Möglich, aber unwahrscheinlich.«
»Ob sie vom Mord Wind bekommen hat ?« , fragt er besorgt.
»Würde sie dichthalten ?« , möchte ich wissen.
»Hat sie vielleicht etwas mit dem Verbrechen zu tun ?«
»Oder ist ihr Adoptivsohn irgendwie in die Sache
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