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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Plündern der geschützten Alpenflora und verhöhnte den Vater auf seiner hoffnungslosen Suche nach den glasklaren Steinen. Schon kurz danach war ich es, der zusammen mit der Mutter einen Stein aussuchte. Einen Grabstein. Der Vater war tödlich verunglückt. Die Umstände waren makaber.
    Unser sonnengebräuntes Chalet steht abgelegen in den Bergen oberhalb Adelbodens. Viele glückliche Ferienwochen habe ich dort verbracht, im Bergbach Staumauern errichtet, an Trockenmauern Eidechsen gejagt, auf Alpweiden Steinmannli aufgeschichtet und am offenen Feuer triefende Käseschnitten auf Holzofenbrot verdrückt. Mit der Zeit zog ich es allerdings vor, zusammen mit anderen Jugendlichen ans Mittelmeer zu fahren, bei Mondschein in den Wellen zu schaukeln, den lokalen Bieren zu frönen und mein Flirtpotenzial zu testen. Mit meinen Freunden im voralpinen Reduit zu hausen, kam für die Eltern nicht infrage. Das Chalet galt als privater Adlerhorst. Fremde Fötzel hatten dort nichts verloren.
    So verbrachten die Eltern ihre Freizeit bald nur noch zu zweit. Mutter hielt das Häuschen im Schwung, und Vater bekämpfte die Wildnis darum herum. Eines Tages, als er den Jungtannen wild entschlossen mit der uralten Motorsäge zu Leibe rücken wollte, geschah es.
    Er stand unsicher im steilen Hang. Die Kettensäge surrte auf Stufe Maximal und nebelte mit den Abgasen die nähere Umgebung ein. Die Säge verfügte weder über eine automatische Abschaltung noch über irgendeine mechanische Schutzvorrichtung.
    »Für hier oben reicht es«, hat es immer geheißen.
    Sowohl der alte Fernseher als auch der ausrangierte Radio, die alten Pfannen genauso wie das alte Geschirr, die alten Schuhe nicht weniger als die veralteten Winterjacken, alles tutti quanti landete im Chalet.
    Als Vater unerwünschte Wildlinge rodete, muss er im abschüssigen Gelände plötzlich ausgerutscht sein. Er schlug dadurch wohl die rotierende Kette gegen das linke Schienbein und durchtrennte es in einem Zug. Vermutlich versuchte er noch, sich auf das Bein zu stellen, das ihm jetzt fehlte, verlor darum das Gleichgewicht, stürzte rücklings, ließ die aufheulende Säge den Hang hinunterdonnern und schrie um sein Leben.
    Mutter hatte merkwürdigerweise von allem nichts bemerkt. Ihr musealer Staubsauger machte einfach viel zu viel Lärm und übertönte Vaters Schreie. Erst als der Kettensäge nach fast einer Stunde das Benzin ausging und sie darum endlich verstummte, trat die besorgte Ehefrau auf den Balkon, um nach ihrem Ehemann Ausschau zu halten. Alles, was sie von ihm sah, war sein abgesägtes Bein. Der blutige Stummel war den Hang heruntergerollt und inmitten frischer Alpenkräuter zum Stillstand gekommen. Dort lag er umschwirrt von Fliegen, wie erlegtes Wild.
    Mutter begriff nicht sofort, welch grauenhaftes Bild sich ihr darbot. Eine ganze Weile rief sie mit zunehmend ängstlicher Stimme nach ihrem Liebsten. Vergeblich. Der verblutete inzwischen im Hang hinter dem Haus. Hätte er überlebt, wenn er rechtzeitig entdeckt worden wäre? Wie aber hätte ihn Mutter bergen sollen? Wo hätte sie Hilfe holen können? War es ein unverzeihbarer Fehler, dass sich Vater immer geweigert hatte, ein Handy anzuschaffen? Wer soll heute noch all die Fragen beantworten?
    Brrr, brrr, brrr.
    In dem Moment vibriert mein eigenes Mobiltelefon. Ich schaue auf das Display: Unbekannt. Da bin ich mal gespannt.

21
    Ich werde im Spital erwartet.
    Hauptmann Geissbühler hat mich angerufen und gebeten, Frau Murer im Krankenhaus zu besuchen. Lieber hätte ich mir zuvor Jüres Bericht angehört. Er sollte endlich abklären, welcher Schüler sich zur Tatzeit in der Schossbergschule aufgehalten hat und was Alfred Weibel dort suchte. Ich selbst dränge darauf, mich mit Fabian Eichenberger zu unterhalten. Aber zuvor führt mich mein Moped jetzt halt zur bettlägerigen Stadthostess. Bin mal gespannt, was sie zu jammern hat.
    »Guten Tag, Frau Murer. Wie geht’s ?«
    »Besser. Danke, Herr Feller. Sie wundern sich vielleicht, dass ich nach Ihnen habe rufen lassen ?« , fährt sie mit schwacher Stimme fort.
    »Ja. Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich ?« , frage ich.
    Frau Murer steckt in einem hellgrünen Trainingsanzug, der ihre Sommersprossen rötlicher erscheinen lässt, als sie es in Wahrheit wohl sind, und liegt schläfrig im multifunktionalen Spitalbett. Sie erweckt aber nicht den Eindruck einer Schwerkranken. Nur der transparente Sauerstoffschlauch, der mit einer Gummiklemme in der Nase festgehalten wird,

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