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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nicht«, bestätigt sie prompt.
    »Sie scheinen kein besonders gutes Verhältnis zur Familie Eichenberger zu pflegen ?« , sage ich.
    »Ist es ein Wunder? Fabian war mal mein Gatte und Erika die beste Gymerkollegin .«
    Ich horche auf. Das ist endlich die Bestätigung, dass sich Murer und Eichenberger seit Jahren kennen.
    »Wie hieß denn Frau Eichenberger mit Mädchennamen ?«
    »Pfund. Erika Pfund. Wir riefen sie aber nur Blüemli . «
    »Warum das?«
    »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht wegen ihres Namens, Erika. Oder vielleicht auch, weil sie immer so blumig parfümiert war. Das war damals halt Mode. Patschuli und iranisches Rosenwasser lagen im Trend. Sie erinnern sich vielleicht. Es galten die Ideale der Blumenkinder .«
    »Ja, mit Grauen erinnere ich mich daran, Frau Murer. Die ausgestülpten Hosenbeine, die Krawatten, breit wie Flundern, und die Haare, lang wie Pudelfelle, erschrecken mich jedes Mal, wenn mir zufällig das Konfirmationsfoto in die Hände fällt.«
    »Nun, wie dem auch sei. Blüemli war gut in der Schule, hatte nicht ein einziges Mal ein PG im Gymer und galt bei den Burschen als Schönheit. Und ich gebe es zu: Ich war ein bisschen stolz, ihre Freundschaft zu genießen .«
    » PG ?«
    »Ach so. PG bedeutet Nächste Promotion gefährdet und steht in ungenügenden Zeugnissen. Das müssten Sie eigentlich wissen, Herr Feller .«
    »Ja, stimmt«, entschuldige ich mich.
    Frau Murer erzählt weiter. »Ich profitierte von ihrem Abglanz. Sie ging großzügig damit um .«
    »Und warum kam es dann zum Bruch ?«
    »Die Liebe hatte Schuld. In der Parallelklasse fiel ein sonnengebräunter, sportlicher Junge auf, den sich wohl jedes Mädchen zum Freund ersehnte. Er wurde jedenfalls von allen Seiten hofiert. Die einen versuchten es mit kecken Sprüchen, die anderen mit burschikosem Rempeln oder kalter Ignoranz. Aber keine der Methoden führte zum Erfolg. Fabian traf keine Wahl. Er trainierte. Da begann auch ich, regelmäßig Sport zu treiben. Ich brachte in Erfahrung, dass er abends zwischen Lachenkanal und Bonstettenpark joggte. Also tat ich es ihm gleich.
    So kreuzten sich unsere Wege. Nicht ganz zufällig. Meine Rechnung ging auf. Er verliebte sich in eine verschwitze und nach Luft schnappende Läuferin in pinkfarbenen Leggins. Das war der Triumph meines Lebens, als wir zum ersten Mal in der Pausenhalle des Gymnasiums Händchen hielten. Es schien mir, als hätten 600 Schüler und Schülerinnen den Pausenbeck vergessen, um uns minutenlang ungläubig anzuglotzen: D’s Grittli und der Fäbu sind ein Paar !«
    »Man nannte Sie Grittli ?«
    »Ja, aus der Margret machte man ein Grittli . Es kursierte aber noch ein zweiter Übername .«
    »Greti?«
    »Nein.«
    »Margritt?«
    »Nein. Schlimmer.«
    »Mager Gret?
    Frau Murer lacht. »Nein, nein. Ganz so schlimm dann auch wieder nicht. Man nannte mich MaMu .«
    »Mammut?«
    »Nein, Herr Feller. MaMu .«
    »’Tschuldigung.«
    »Aus Margret Murer wurde MaMu. Aber Sie haben trotzdem nicht unrecht . Die neidischen Zicken riefen mich zwischendurch schon mal Mammut. Zum Beispiel Erika Pfund. Das geknickte Blüemli welkte im Schatten meines unerwarteten Glücks dahin. Ich habe ihr den Fäbu schlicht und einfach vor ihrer eingebildeten Gägsnase weggeschnappt .«
    »Sie sprechen aber nicht zufälligerweise von Fabian Eichenberger ?«
    »Von keinem anderen«, bestätigt sie.
    »Schau an. Dann haben Sie bald nach dem Gymer geheiratet ?«
    »Stimmt. Das haben wir. Leider blieb die Ehe kinderlos. Als wir zur Eherettung ein Kind adoptierten, war es schon zu spät. Die Beziehung brach auseinander. Und Sie werden es bereits vermuten .«
    »Blüemli hat ausgeschlagen ?«
    »Jawohl. Erika Pfund hat mir den Fabian doch noch ausgespannt. Frau Notarin hat sich eine nette Villa unter den Nagel gerissen und dem flotten Sportlehrer vom Progy den Kopf verdreht. Den Rest der Geschichte kennen Sie .«
    Ich zwirble meine Augenbraue. Ist Thun wirklich so ein Nest, dass hier jeder und jede früher oder später etwas miteinander zu tun bekommt?
    »Frau Murer. Jetzt muss ich Sie noch etwas anderes fragen .«
    »Nur zu. Ich bin in Beichtstimmung .«
    »Wo waren Sie gestern kurz nach vier ?«
    Diese Frage hat sie offensichtlich nicht erwartet. Ihre Mine verdüstert sich schlagartig. Sie schnellt zackig wie ein Rekrut in die Höhe, knallt das Fenster zu und setzt sich danach wieder in den Krankenstuhl zurück. Sie wirkt plötzlich alles andere als pflegebedürftig. Ihre verspannte Haltung

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