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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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diaboli«,
fielen die Mönche ein,
»libera nos . . .«
    »Du altes Krokodil«, schrie Scharley, rot im Gesicht, »du krepierender Basiliske, du beschissene Vogelscheuche! Du aufgeblasene Kröte, du hinkender Esel mit einem verklopptenHintern, du Tarantel, die sich im eigenen Netz gefangen hat! Du bespucktes Kamel! Du elender Wurm im stinkenden Aas auf dem tiefsten Grund der Hölle, du hässlicher Mistkäfer, der mitten in der Scheiße sitzt! Höre, wenn ich dich bei deinem wahren Namen nenne:
scrofa stercorata et peadicosa
, unsauberes, verlaustes Schwein, du Gemeinster von allen Gemeinen, du Allerdümmster von allen Dummen,
stultus stultorum rex!
Du stumpfsinniger Köhler! Du ewig besoffener Schuster! Du Bock mit geschwollenen Eiern!«
    Bruder Deodatus auf seiner Bahre bewegte sich nicht. Reynevan besprengte ihn nach Leibeskräften mit Weihwasser, doch die Tropfen rannen wirkungslos über das erstarrte Antlitz des Alten. Scharleys Kaumuskel zitterte heftig. Jetzt kommt der Höhepunkt, dachte Reynevan. Er irrte sich nicht.
    »Krieche aus diesem Körper!«, donnerte Scharley, »du in der Scheiße gefickter Katamite!«
    Einer der jüngeren Benediktiner nahm Reißaus, hielt sich die Ohren zu und rief den Herrn vergeblich an. Die anderen waren entweder sehr bleich oder sehr rot.
    Das kahl geschorene Kraftpaket stöhnte und ächzte und versuchte, seine ganze Hand in den Honigtopf zu stecken. Das war nicht durchzuführen, denn die Hand war zweimal größer als der Topf. Der Riese hob das Gefäß hoch, warf den Kopf in den Nacken, riss den Mund auf, aber der Honig floss nicht heraus, es war ganz einfach zu wenig davon vorhanden.
    »Und was ist mit Bruder Deodatus, Meister?«, wagte der Abt zu stammeln, »was ist mit dem bösen Geist? Ist er vielleicht schon herausgekrochen?«
    Scharley beugte sich über den Exorzierten und legte sein Ohr fast an dessen bleiche Lippen.
    »Er ist schon dicht unter der Oberfläche«, befand er. »Gleich werden wir ihn austreiben. Wir müssen ihn nur mit Gestank lähmen. Der Teufel ist empfindlich gegen Gestank. Auf, Fratres, bringt einen Kübel Scheiße, einen Tiegel und ein Öllämpchen. Wir werden dem Besessenen vor seiner Nase frischeScheiße braten. Übrigens, alles, was heftig stinkt, eignet sich dafür. Schwefel, Kalk, Stinkasant . . . Am besten verfaulter Fisch. Denn das Buch Tobias lehrt:
incenso iecore piscis fugabitur daemonium.
«
    Einige Brüder eilten fort, das Gewünschte zu holen. Das Kraftpaket saß mit dem Rücken zur Mauer, popelte in der Nase, besah seinen Finger und wischte ihn am Hosenbein ab. Danach nahm er seine Suche nach den Honigresten im Topf wieder auf. Mit demselben Finger. Reynevan spürte, wie ihm der Biberschwanz vom Mittagsmahl auf einer Welle von Meerrettichsoße hochkam.
    »Magister Reinmar«, Scharleys kalte Stimme beförderte ihn wieder in die Welt zurück, »wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Das Markus-Evangelium bitte, den entsprechenden Absatz. Betet, Brüder.«
    »Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief«, las Reynevan gehorsam vor, »herrschte er den unreinen Geist an und sagte zu ihm: Du stummer und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus, und fahre nie wieder in ihn hinein!«
    »Surde et mute spiritus ego tibi praecipio«
, wiederholte der über Bruder Deodatus gebeugte Scharley streng und herrisch,
»exi ab eo! Imperet tibi dominus per angelos et leonem! Per Deum vivum! Justitia eius in saecula saeculorum!
Möge seine Kraft dich vertreiben und dich zusammen mit deiner ganzen Bande zum Herausgehen zwingen!
Ego te exorciso per charactera et verbum sanctum! Impero tibi per clavem Salomonis et nomen magnum tetragrammaton!«
    Das Honig fressende Kraftpaket hustete plötzlich, besabberte sich und schniefte. Scharley wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Das ist ein harter und schwieriger
casus
«
,
erklärte er, während er dem immer misstrauischer werdenden Blick des Abtes auswich. »Wir müssen noch stärkere Argumente verwenden.«
    Eine Weile war es so still, dass man das verzweifelte Gebrummeiner Fliege hören konnte, die in einer Fensterecke einer Spinne ins Netz gegangen war.
    »Bei der Apokalypse«, Scharleys schon etwas heiser gewordener Bariton klang durch die Stille, »in der der Herr uns die Dinge verraten hat, die kommen werden und die er durch den Mund seines von ihm gesandten Engels bestätigen ließ, beschwöre ich dich, Satan!
Exorciso te, flumen immundissimum, draco maleficus, spiritus

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