Narrenturm - Roman
Kampfgetümmel.
Durch den unverhofften Entsatz hatte sich, so schien’s, die Waagschale zugunsten der Überfallenen geneigt, als plötzlich das Trommeln von Hufen zu hören war und vier Schwerbewaffnete im Galopp auf die Wiese sprengten. Wenn Reynevan auch einen Moment lang zweifelte, so war doch das Triumphgeschrei des Fußvolkes eindeutig, das sich nun angesichts der Verstärkung mit verdoppelter Kraft in den Kampf warf.
»Lebendig kriegen!«, schrie der Anführer der Schwerbewaffneten, dessen Schild drei silberne Fische zierten, durch das Visier seines Helms. »Ich will die Schurken lebend haben!«
Das erste Opfer der vier Neuankömmlinge war Scharley. Der Demerit wich zwar geschickt den Schlägen einer Streitaxt aus, indem er aus dem Sattel sprang, aber auf dem Boden fiel ihn die Übermacht des Fußvolkes an. Samson Honig eilte ihm, mit der Hellebarde um sich schlagend, zu Hilfe.
Der Riese wich vor dem gegen ihn anstürmenden Ritter mit der Streitaxt nicht zurück, er hieb dessen Ross mit solcher Kraft auf die den Schädel schützende Stirnplatte, dass die Hellebarde knirschend brach. Das Pferd wieherte schrill auf und ging in die Knie. Den Reiter zog der Blondschopf aus dem Sattel. Beide begannen miteinander zu ringen, ineinander verbissen wie zwei Bären.
Reynevan und der aus dem Sattel gestürzte Jüngling leisteten gegen die anderen Schwerbewaffneten verzweifelten Widerstand und machten sich mit wilden Schreien, Flüchen und der Anrufung von Heiligen gegenseitig Mut. Die Ausweglosigkeit der Situation war offensichtlich. Nichts deutete darauf hin, dass sich die Angreifer in ihrem Eifer noch an den Befehl erinnern würden, sie lebend zu fassen – und selbst wenn, Reynevan sah sich schon mit einem Strick um den Hals.
Aber Fortuna war ihnen an diesem Tage gnädig.
»Schlag zu, im Namen Gottes! Töte, wer an Gott glaubt!«
Unter Hufgetrappel und gottesfürchtigen Rufen griffen neue Kräfte in die Aktion ein – drei weitere schwerbewaffnete Reiter in voller Rüstung und mit Helmen mit spitzen Schnauzenvisieren, Hundsgugeln genannt. Es bestand kein Zweifel daran, auf wessen Seite sie standen. Die Hiebe ihrer Langschwerter streckten das helmbewehrte Fußvolk, einen nach dem anderen, auf dem blutbedeckten Sand nieder. Schwer getroffen wankte der Ritter mit den Fischen im Wappen im Sattel. Der Zweite deckte ihn mit dem Schild, stützte ihn, ergriff die Zügel des Pferdes, und beide wandten sich im Galoppzur Flucht. Der Dritte wollte ebenfalls fliehen, erhielt aber einen Schwertstreich auf den Kopf und rollte unter die Hufe der Pferde. Die Kühneren aus dem Fußvolk versuchten zwar noch, mit den Lanzenschäften dagegenzuhalten, aber nach jedem Stoß warf wieder einer die Waffe weg und verschwand im Wald.
Der Blonde hatte inzwischen mit einem gewaltigen Schlag seiner eisenbewehrten Faust seinen Gegner niedergestreckt, und als dieser versuchte, sich zu erheben, stieß er ihn mit einem Fußtritt gegen die Schulter zurück. Als sich der Umgestoßene schwer atmend wieder aufsetzte, sah der Blonde sich nach etwas um, mit dem er ihm den Rest geben könnte.
»Fang!«, rief einer der Schwerbewaffneten. »Fang, Rymbaba!«
Der Rymbaba gerufene Blondschopf fing den ihm zugeworfenen Streithammer, einen widerwärtig aussehenden
martel de fer
, im Fluge auf und hieb ihn dem sich Erhebenden mit so großer Macht auf den Helm, dass es donnerte, einmal, ein zweites und ein drittes Mal. Der Kopf des Getroffenen sank auf die Schulter und unter dem verbogenen Blech sprudelte das Blut auf den
aventail,
die Schulterschienen und den Brustpanzer. Der Blonde stand breitbeinig über dem Verwundeten und schlug noch einmal zu.
»Mein Gott, keuchte er, wie ich diese Arbeit liebe . . .«
Der kartoffelnasige Jüngling schniefte laut und spuckte das Blut aus. Dann reckte er sich, lächelte mit blutverschmiertem Mund und streckte Reynevan die Hand entgegen.
»Danke für die Hilfe, edler junger Herr. Beim Schienbein des heiligen Aphrodisius, das vergesse ich Euch nie! Ich bin Kuno von Wittram.«
»Und mich sollen die Teufel in der Hölle durchprügeln«, der Blondschopf streckte Scharley seine Rechte entgegen, »wenn ich Euren Beistand je vergesse. Ich bin Paszko Pakoslawic Rymbaba.«
»Fertig machen!«, kommandierte einer der Gepanzerten, der unter dem geöffneten Visier ein braungebranntes Gesichtund graue, glattrasierte Wangen zeigte. »Rymbaba, Wittram, schnappt euch die Pferde! Schneller, zum Teufel noch mal!«
»O je«,
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