Narrenturm - Roman
Rymbaba beugte sich vor und schneuzte sich durch die Finger hindurch, »die sind getürmt.«
»Die kommen bald wieder«, sagte der zweite der ihnen zu Hilfe Gekommenen und wies auf den weggeworfenen Schild mit den drei Fischen im Wappen. »Habt ihr beiden Hundspetersilie gefressen, dass ihr Reisende gerade hier überfallt?«
Scharley, der seinem Braunen die Nüstern streichelte, bedachte Reynevan mit einem bedeutsamen, einem äußerst bedeutsamen Blick.
»Ausgerechnet hier«, wiederholte der Ritter, »auf dem Gebiet der Seidlitz’. Das lassen die uns nicht durchgehen . . .«
»Das lassen die uns nicht durchgehen«, bestätigte der Dritte. »Los, alle auf die Pferde!«
Vom Weg und vom Wald her drangen Geschrei, Pferdewiehern und Hufgepolter. Zwischen Farnen und Baumstümpfen liefen Hellebardiere, den Weg entlang galoppierte ein gutes Dutzend Schwerbewaffneter und Armbrustschützen zu Pferde.
»Haut ab!«, brüllte Rymbaba. »Haut ab, wenn euch das Leben lieb ist!«
Sie galoppierten davon, gejagt von Gebrüll und dem Schwirren der ersten Pfeile.
Sie wurden nicht lange gejagt. Als das Fußvolk zurückfiel, verlangsamten die Reiter ihr Tempo, anscheinend glaubten sie nicht mehr so recht an ihre Überlegenheit. Die Schützen schickten den Flüchtenden noch eine Salve hinterher – und damit endete die Hatz.
Zur Sicherheit legten sie noch ein paar Stadien im Galopp zurück, änderten die Richtung, blickten sich ständig um und ritten über Hügel und durch Ahornwälder. Aber niemand verfolgte sie. Um die Pferde verschnaufen zu lassen, hielten sie unweit eines in der Nähe gelegenen Dörfchens bei der letzten Hütte an. Das Bäuerlein wartete nicht, bis sie ihm Haus undHof plünderten, sondern brachte ihnen eigenhändig eine Schüssel Piroggen und einen Zuber Buttermilch heraus. Die Raubritter setzten sich an den Zaun. Sie aßen und tranken schweigend. Der älteste, der sich vorhin als Notker von Weyrach vorgestellt hatte, blickte Scharley lange an.
»Jaaaa«, sagte er schließlich und leckte sich die Buttermilch von seinem Schnauzbart, »Ihr seid ordentliche und tapfere Leute, Herr Scharley, und auch du, Junker von Hagenau. Nebenbei, seid Ihr vielleicht ein Nachkomme des berühmten Poeten?«
»Nein.«
»Aha. Was wollte ich gleich noch mal sagen? Ah, dass ihr kühne und beherzte Männer seid. Aber auch euer Knappe, obwohl er wie ein Dummerling aussieht, ist über die Maßen mutig und ehrenhaft. Jaaaa. Ihr seid meinen Jungs zu Hilfe gekommen. Und habt euch deshalb selbst in Schwierigkeiten gebracht. Ihr seid mit den Seidlitz’ in Händel geraten, und die sind rachsüchtig.«
»Das stimmt«, bekräftigte ein zweiter Ritter, mit langem Haar und einem Schnurrbart wie ein Wels, der sich als Woldan von Nossen vorgestellt hatte. »Die Seidlitz’ sind sonderbare Hundesöhne, das heißt ihr ganzes Geschlecht, genauso wie die Laasan und die Kurzbachs. Alles ausnahmslos bösartige Biester und rachsüchtige Schurken . . . He, Wittram, he, Rymbaba, ihr habt ja die Sache ganz schön verfurzt, die Pest soll euch holen!«
»Denken müsst ihr«, belehrte Weyrach sie. »Denken, der eine wie der andere!«
»Wir ham doch gedacht«, stieß Kuno Wittram hervor. »Also, das war so: Wir gucken, da kommt ’n Fuhrwerk. Da ham wir gedacht: Vielleicht können wir das ausnehmen? Ein Wort gab das andere . . . Pfui, beim Strick des heiligen Dismas! Ihr wisst ja selber, wie das ist.«
»Das wissen wir. Aber denken muss man.«
»Und auch«, fügte Woldan von Nossen hinzu, »auf die Eskorte achten.«
»Es gab keine Eskorte. Nur der Fuhrmann, ein Trossknecht und ein Reiter mit einer Biberpelzkappe, das musste der Kaufmann sein. Die sind fortgelaufen. Da haben wir gedacht: Das gehört jetzt uns. Und dann hast du die Bescherung: Wie aus der Erde gewachsen, springen plötzlich fünfzehn wütende Kerle mit ihren Hellebarden hervor . . .«
»Ich sage ja, denken muss man.«
»Das sind aber auch Zeiten heutzutage!«, regte sich Paszko Pakoslawic Rymbaba auf. »So weit ist es schon gekommen! Ein blöder, beschissener Wagen, Waren für drei Groschen unter der Plane, und die verteidigen es, als ob’s der heilige Gral wäre.«
»Früher war das anders. Der dritte Ritter mit der nach Ritterart modisch geschnittenen, schwarzen Haarpracht, mit dem gebräunten Gesicht, der nur wenig älter als Rymbaba und Wittram war und sich Tassilo de Tresckow nannte, nickte. Wenn man früher rief: Anhalten und rausrücken!, dann haben sie rausgerückt.
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