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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kampf durch Übung vorbereitet, schlug es aus und trat um sich, um so den Angriff auf sich und seinen Reiter zu erschweren. Der Ritter schwankte so sehr im Sattel hin und her, dass es ein Wunder war, dass er sich oben halten konnte.
    Den zweiten Ritter, ebenfalls in voller Rüstung, hatte das Fußvolk bereits aus dem Sattel gehoben, jetzt verteidigte er sich, gegen das schwarze Fuhrwerk gedrängt, verbissen. Er hatte keinen Helm auf, und unter der zurückgeschlagenen Kapuze wehten lange, helle, blutverschmierte Haare hervor. Unter einem ebenso hellen Bart blitzten die Zähne. Seine Angreifer wehrte er mit heftigen Schlägen seines Beidhänders ab, der, obgleich lang und schwer, in den Händen des Ritters wie ein höfisches Zierschwert wirkte. Die Waffe war gefährlich, sie sah nicht nur so aus   – die Attacke wurde den Angreifern durch drei bereits auf dem Boden liegende Verwundete erschwert, die vorSchmerzen wimmerten und versuchten, sich beiseite zu schleppen. Die anderen Angreifer zeigten daher Respekt, kamen nicht allzu nahe und versuchten, den Ritter aus sicherer Entfernung zu verletzen. Selbst wenn ihre Stöße trafen und nicht von der schweren Klinge des Beidhänders abgewehrt wurden, glitten doch die Spitzen der Waffen an der Rüstung ab.
    Um das Geschehen, dessen Beschreibung wohl oder übel einige Zeilen in Anspruch genommen hat, zu erfassen, benötigte Reynevan nur einen Moment. Er hatte vor Augen, was wohl ein jeder gesehen hätte: zwei Ritter, überfallen von einer Horde Wegelagerer, in Bedrängnis. Oder: zwei Löwen von Hyänen angefallen. Oder: Roland und Florismart, wie sie einer Überzahl Mauren Widerstand leisten. In diesem Augenblick fühlte sich Reynevan ganz wie Olivier. Er schrie laut auf, riss das Schwert aus der Scheide, gab seinem Pferd die Sporen und stürzte sich in den Verteidigungskampf, ohne auf Scharleys Warnschreie und Flüche zu achten.
    Obwohl es ein verrücktes Unterfangen war, erfolgte der Entsatz keinen Moment zu spät. Denn eben stürzte der bedrängte Ritter vom Pferd und verursachte dabei einen solchen Lärm, als hätte man einen Kupferkessel vom Kirchturm heruntergeworfen. Der von zahllosen Stangen gegen das Fuhrwerk gedrängte Blondschopf mit dem Beidhänder vermochte seinem Gefährten lediglich mit Flüchen zu helfen, mit denen er seine Angreifer denn auch reichlich bedachte.
    In genau diesem Augenblick stürzte sich Reynevan in den Kampf. Mit seinem Pferd drängte er diejenigen, die ein Knäuel um den aus dem Sattel Geworfenen gebildet hatten, auseinander und ritt sie um; einem Graubärtigen, der sich nicht umreißen ließ, hieb er mit dem Schwert auf den Helm, dass es schepperte. Der Helm fiel herunter, der Graubart wandte sich um, verzog das Gesicht zu einer heimtückischen Grimasse und schlug heftig mit der Hellebarde auf Reynevan ein, aus nächster Nähe, zum Glück aber nur mit dem Schaft. Aber Reynevan fiel dennoch vom Pferd. Der Graubart stürzte sich auf ihn,packte ihn am Hals. Und flog davon. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Samson Honig hatte ihm mit der Faust einen mächtigen Schlag gegen den Kopf versetzt. Sofort griffen die anderen Samson an. Dieser hob die Hellebarde vom Boden auf und schlug damit dem ersten der Angreifer mit der flachen Seite gegen den Helm, dass der Eisenhut herunterflog und der Getroffene wie hingemäht zu Boden sank. Samson schwang die Stoßwaffe, wirbelte sie herum, als wäre es ein Schilfrohr und schaffte Raum um sich, um Reynevan und den sich von der Erde erhebenden Ritter herum. Der Ritter hatte beim Sturz seinen Helm verloren. Über der schützenden Halsbrünne war ein junges, rosiges Gesicht mit einer rundlichen Nase und grünen Augen zu sehen.
    »Wartet nur, Ihr Schweinerüssel!«, rief er in einem seltsamen Diskant. »Ich werde es Euch schon zeigen, Ihr Scheißefresser! Beim Haupt der heiligen Sabine! Ihr werdet noch an mich denken!«
    Dem sich in einer bedauernswerten Lage befindlichen Blondschopf, der sich immer noch bei dem Fuhrwerk verteidigte, war Scharley zu Hilfe gekommen. Der Demerit hatte in wahrhaft akrobatischer Manier in vollem Galopp ein Schwert aufgehoben, das jemand fallen gelassen hatte, und trieb das Fußvolk auseinander, indem er mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit nach rechts und links kräftige Hiebe austeilte. Der Blondschopf, dem man bei dem Handgemenge am Wagen den Beidhänder entrissen hatte, verlor keine Zeit damit, diesen im Sand zu suchen, sondern stürzte sich mit beiden Fäusten in das

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