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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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räudigen Hündin!«, schrie plötzlich Eckhard von Sulz und trat vor. »Du Maulheld! Du Großschnauze! Du aufgeblasener Arsch! Komm auf den Platz!«
    »Ich stehe darauf«, antwortete Hayn von Czirne ruhig. »Womit messen wir uns?«
    »Damit!« Sulz hob seinen Selbstzünder hoch. »Tapfer, Czirne, du bist ein Könner mit dem Schwert, der Herr über die Streitaxt! Aber es kommt immer etwas Neues! Hier ist die Moderne! Gleiche Chancen! Wir werden uns schießen!«
    Unter dem Lärm, der sich erhob, ging Hayn von Czirne zuseinem Pferd und kam nach einer Weile zurück, eine Büchse in der Hand. Während die Feuerwaffe von Eckhard Sulz nur ein gewöhnliches Rohr auf einem Stock war, hatte Czirne eine mit geradezu künstlerischem Ehrgeiz gefertigte Handfeuerwaffe mit kantigem Lauf auf einem profilierten Eichenlager.
    »Dann also Feuerwaffen«, verkündete er. »Soll’s doch modern zugehen in Haus und Hof. Errichtet die Schranken!«
    Dann ging alles schnell. Die Enden der Strecke wurden durch zwei in die Erde gerammte Lanzen bestimmt, die die Distanz von zehn Schritten markierten, durch Teerfackeln beleuchtet. Czirne und Sulz standen sich gegenüber, jeder mit dem Selbstzünder unter dem Arm und der glimmenden Lunte in der anderen Hand. Die Raubritter wichen auf die Seiten zurück, aus der Schusslinie gehend.
    »Die Waffen bereit!« Notker Weyrach, der das Amt des Herolds übernommen hatte, hob den Streitkolben. »Zielt!«
    Die Gegner beugten sich vor und brachten die Lunten in Höhe der Zündung.
    »Schießt!«
    Kurze Zeit tat sich gar nichts, es herrschte Stille, die Lunten zischten und sprühten Funken, es roch nach brennendem Pulver in den Pfannen. Es sah so aus, als müsste man das Duell unterbrechen, um die Waffen neu zu laden. Notker Weyrach schickte sich schon an, das Zeichen zu geben, als Sulz’ Rohr unverhofft mit schrecklichem Getöse losging. Feuer blitzte auf und stinkender Rauch ballte sich. Die in der Nähe Stehenden hörten das Pfeifen der Kugel, die das Ziel verfehlte und irgendwo in der Nähe der Latrine niederging. Im selben Moment spuckte Hayn von Czirnes Handkanone Rauch und Feuer. Mit besserem Erfolg. Die Kugel traf Eckhard von Sulz unter dem Kinn und riss ihm den Kopf ab.
    Aus dem Hals des Verfechters eines Kreuzzuges gegen die Hussiten schoss eine Fontäne aus Blut, der Kopf schlug gegen die Scheunenwand, fiel zu Boden, kullerte über den Hof undblieb endlich im Gras liegen, wo er mit blicklosem Auge die ihn beschnuppernden Hunde anstarrte.
    »Verdammt«, sagte Paszko Rymbaba in die vollkommene Stille hinein. »Der lässt sich wohl nicht wieder annähen.«
     
    Reynevan hatte Samson Honig unterschätzt.
    Er hatte es noch nicht einmal geschafft, im Stall sein Pferd zu satteln, als er im Nacken das Bohren eines auf ihn gerichteten Blickes spürte. Er wandte sich um, blickte auf und stand da wie zur Salzsäule erstarrt, den Sattel in beiden Händen. Er fluchte, dann warf er den Sattel mit Schwung auf den Rücken des Pferdes.
    »Verurteile mich nicht«, bat er, ohne sich umzudrehen, den Anschein erweckend, er sei nur mit seinem Zaumzeug beschäftigt. »Ich muss ihnen hinterher. Ich wollte ohne Abschied gehen. Oder besser ohne Abschiedsdiskussionen, die nichts bringen würden, außer unnötigem Zwist und Zeitverlust. Ich dachte, es wäre besser . . .«
    Samson Honig lehnte am Türrahmen, die Hände über der Brust gefaltet, und schwieg, dafür sprach sein Blick Bände.
    »Ich muss ihnen nach«, presste Reynevan nach einer Weile angespannten Schweigens hervor. »Ich kann nicht anders. Versteh mich doch. Das ist für mich eine einzigartige Gelegenheit. Die Vorsehung . . .«
    »Die Person von Herrn Hayn von Czirne«, lächelte Samson, »drängt mir zahlreiche Vergleiche auf. Aber keinen davon würde ich als Vorsehung bezeichnen. Aber was soll’s, ich verstehe dich. Obwohl ich sagen muss, dass mir das nicht leicht gefallen ist.«
    »Hayn Czirne ist ein Feind der Sterz’. Ein Feind von Kunz Aulock. Ein Feind meiner Feinde, also mein natürlicher Verbündeter. Durch ihn bietet sich die Gelegenheit, meinen Bruder zu rächen. Seufze nicht, Samson. Es ist weder die Zeit noch der Ort für den nächsten Disput, der damit enden wird, dass Rache eine unnütze und sinnlose Sache ist. Da laufen dieMörder meines Bruders nicht nur seelenruhig in der Weltgeschichte herum, sie sind mir auch noch ununterbrochen auf den Fersen, drohen mir mit dem Tod und verfolgen die Frau, die ich liebe. Nein, Samson. Ich fliehe nicht

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