Narrenturm - Roman
geradewegs auf sie zusprengten. Erst jetzt konnten sie die Silhouetten der Reiter erkennen und die Mäntel, die sie wie gespenstische Flügel umwehten.
»Zu den Waffen!«, brüllte Czirne und zog sein Schwert. »Zu den Waffen! Die Armbrüste!«
Ein Windstoß erfasste sie, ein plötzlich aufkommender, wilder, heulender, beißender Wind fuhr ihnen ins Gesicht. Und dann erreichte sie ein Wahnsinnsschrei.
»Adsumus! Adsuuumuuuus!«
Die Sehnen der Bögen schwirrten, die Bolzen sangen. Jemand schrie. Nur einen Moment später drangen die Reiter in dem hoch aufspritzenden Wasser auf sie ein, tobend wie ein Orkan, ließen die Schwerter niedersausen, dass sie zu Fall gebracht und niedergetrampelt wurden. Alles geriet in Aufruhr, Rufe durchdrangen die Nacht, Schreie, das Geklirr und Gerassel von Eisen, das Stöhnen und Schnauben der Pferde. Fryczko Nostitz stürzte mit seinem sich aufbäumenden Pferd in den Fluss, neben ihm fiel ein Waffenknecht, erschlagen. Einer der Schützen heulte laut auf, das Heulen verwandelte sich in ein Röcheln.
»Adsuuumuuus!«
Der flüchtende Hanusz Throst wandte sich im Sattel um und schrie auf, als er dicht hinter sich ein Pferdemaul mit gebleckten Zähnen erblickte, dahinter eine schwarze Silhouette mit einer Kapuze. Es war das Letzte, was er auf Erden erblicken sollte. Die schmale Schwertklinge traf sein Gesicht und bohrte sich zwischen Auge und Nase knirschend in seinen Schädel. Der Kaufmann richtete sich auf, seine Hände flatterten, dann rollte er auf die Steine hinunter.
»Adsumus!«
, schrie triumphierend der schwarze Reiter.
»In nomine Tuo!«
Die schwarzen Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und stürzten sich ins Dunkel. Doch Hayn von Czirne folgte ihnen, sprang aus dem Sattel und griff nach einem von ihnen. Beide fielen ins Wasser, beide standen sofort wieder auf, Schwerter schwirrten durch die Luft und trafen klirrend aufeinander. Sie kämpften verbissen, bis über die Knie im schäumenden Wasser, Funken sprühten von ihren Klingen.
Der schwarze Ritter stolperte. Czirne, ein alter Kämpe, konnte sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Aus einer halben Drehung heraus schlug er zu, auf den Kopf, das schwere Passauer Schwert zerschnitt die Kapuze, spaltete den Helm, der herabfiel. Czirne sah in ein blutüberströmtes, leichenblasses, gespenstisch verzogenes Gesicht und wussteplötzlich, dass er diesen Anblick niemals vergessen würde. Der Verwundete schrie auf und griff an; er dachte nicht daran, umzufallen, obwohl er eigentlich längst hätte umfallen sollen. Czirne fluchte, fasste den Schwertgriff mit beiden Händen und schlug noch einmal zu, aus einem gewaltigen Hüftschwung heraus flach gegen den Hals. Schwarzes Blut schoss hervor, der Kopf fiel auf die Schulter und hing dort, nur noch von einem Hautfetzen gehalten. Aber der kopflose Ritter schritt weiter, mit erhobenem Schwert und nach allen Seiten Blut verströmend.
Einer der Schützen heulte vor Grauen auf, zwei andere wandten sich in panischem Schrecken zur Flucht. Hayn von Czirne wich nicht zurück. Er fluchte schaurig und gotteslästerlich, stand sicher auf beiden Beinen und holte ein weiteres Mal zu einem Hieb mit dem Schwert aus. Diesmal trennte er den Kopf endgültig vom Rumpf und beinahe die ganze Schulter vom Körper. Der schwarze Ritter sank in das flache Wasser am Ufer, schlug um sich und warf sich, tretend und zuckend, hin und her. Es dauerte lange, bis er sich nicht mehr regte.
Hayn von Czirne stieß den Leichnam des Bogenschützen in der Brigantine, den das Wasser mit sich gerissen hatte und an seine Knie drückte, von sich. Er atmete schwer.
»Was war das?«, fragte er endlich. »Was, bei Luzifer, war das?«
»Jesus, sei uns gnädig . . .« stammelte Fryczko Nostitz, der neben ihm stand. »Jesus, sei uns gnädig . . .«
Der kleine Fluss Wense brauste tosend über die Steine.
Reynevan hatte unterdessen die Flucht ergriffen, und zwar so geschickt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als gefesselt auf einem galoppierenden Pferd zu sitzen. Dafür galoppierte er recht ordentlich. Die gefesselten Handgelenke in den Sattelknopf gehakt, das Gesicht in der Mähne des Pferdes vergraben, die Knie fest an den Sattel gepresst, jagte er in gestrecktem Galopp dahin, dass der Boden erzitterte und derWind ihm um die Ohren heulte. Sein Pferd, dieses treffliche Tier, schien zu verstehen, worum es ging, streckte den Hals und gab alles; zeigte, dass es seinen Hafer in den letzten fünf,
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