Narrenturm - Roman
halten und pünktlich sind«, näselte der Mann im Pelzrock. »Ich sehe, unsere gemeinsamen Bekannten haben nicht übertrieben, als sie ihre Meinung über Euch abgaben und Euch empfahlen. Ich freue mich, Euch zu sehen und bin froh über die Zusammenarbeit. Dann können wir losreiten, nehme ich an?«
»Meine Mitarbeit«, erwiderte von Czirne, »kostet hundert Gulden. Unsere gemeinsamen Bekannten werden Euch das gewiss gesagt haben.«
»Aber doch nicht im Voraus«, lachte der Mann im Pelzrock. »Ihr habt doch wohl nicht gedacht, Herr, dass ich darauf eingehe. Ich bin Kaufmann, ein Geschäftsmann. Und bei Geschäften läuft das so, erst die Dienstleistung, dann die Entlohnung. Eure Dienstleistung ist, mich sicher über den Silberberger Pass nach Braunau zu eskortieren. Tut Ihr dies, werdet Ihr bezahlt. Hundert Gulden, bis auf den letzten Heller.«
»Es wäre besser«, sagte Hayn von Czirne mit allem Nachdruck, »wenn es so wäre. Wirklich besser, Herr Throst. Was führt Ihr auf den Wagen mit, wenn man fragen darf?«
»Waren«, antwortete Throst gelassen. »Was für welche, ist meine Sache. Und die desjenigen, der dafür zahlt.«
»Klar.« Czirne nickte. »Wozu brauche ich das auch zu wissen. Mir genügt es auch schon, zu wissen, dass diese Ware nicht schlechter ist als jene, mit der in letzter Zeit andere Handelgetrieben haben. Fabian Pfefferkorn. Und Nikolaus Neumarkt. Von anderen ganz zu schweigen.«
»Vielleicht ist es auch besser, dass Ihr schweigt. Wir reden schon viel zu lange herum. Zeit, dass wir uns auf den Weg machen. Wozu an einer Kreuzung stehen bleiben und den Teufel herausfordern?«
»Ihr habt Recht.« Czirne wendete das Pferd. »Hier brauchen wir nicht länger herumzustehen. Gebt das Zeichen, dass die Wagen anfahren. Und was den Teufel anlangt, so fürchtet Euch nicht. Jener Teufel, der in letzter Zeit in Schlesien umgeht, hat die Angewohnheit, am helllichten Tag zuzuschlagen. Genau zur Mittagsstunde. In der Tat ein, wie die Popen sagen,
daemonium meridianum,
ein Dämon, der zur Mittagsstunde vernichtet. Und ringsum, seht Euch nur um, ist Dunkelheit.«
Der Kaufmann trieb das Pferd an und ritt neben dem Rappen des Raubritters einher.
»An des Dämons Stelle«, sagte er nach einer Weile, würde ich die Gewohnheiten ändern, »denn sie sind zu bekannt und vorhersagbar. Aber derselbe Psalm erwähnt auch die Finsternis. Wisst Ihr das nicht mehr?
Negotio perambulante in tenebris . . .
«
»Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr solche Angst habt«, in Czirnes düsterer Stimme schwang Belustigung, »hätte ich den Preis erhöht. Auf anderthalb Hundert Gulden wenigstens.«
»So viel zahle ich Euch«, erklärte Throst so leise, dass Reynevan ihn kaum hören konnte. »Hundertfünfzig Gulden auf die Hand, Herr Czirne. Wenn wir sicher ans Ziel gelangen. Denn es ist wahr, ich habe Angst. Der Alchimist in Ratibor hat mein Horoskop erstellt, er hat aus den Eingeweiden von Hühnern gelesen . . . Da kam heraus, dass der Tod über mir schwebt . . .«
»Ihr glaubt an solche Dinge?«
»Bis vor kurzem habe ich nicht daran geglaubt.«
»Und jetzt?«
»Jetzt«, sagte der Kaufmann bitter, »verschwinde ich aus Schlesien. Der kluge Mann baut vor. Ich will nicht so enden,wie Pfefferkorn und Neumarkt. Ich reise nach Böhmen, dort erwischt mich kein Dämon.«
»Das ist wahr!«, Hayn von Czirne nickte zustimmend, »dort nicht. Die Hussiten haben nicht mal vor Dämonen Angst.«
»Ich reise nach Böhmen«, wiederholte Throst, »und es ist Eure Aufgabe, mich sicher dorthin zu bringen.«
Czirne erwiderte darauf nichts. Die Wagen holperten vor sich hin, Achsen und Radnaben quietschten, wenn sie durch Schlaglöcher fuhren.
Sie verließen den Wald und kamen in freies Gelände. Hier wurde es noch kälter und noch nebliger. Sie hörten das Rauschen von Wasser über Steinen
»Die Wense.« Czirne deutete in die Richtung. »Das Flüsschen Wense. Von hier aus bis zum Pass ist es nicht einmal eine ganze Meile. Hoooo! Vorwärts, vooorwääärts!«
Die Reifen der Räder polterten und knirschten über das Geröll, kurz darauf plätscherte und schäumte Wasser um die Pferdehufe. Das Flüsschen war nicht besonders tief, aber reißend.
Hayn von Czirne hielt plötzlich mitten in der Furt sein Pferd an und verharrte reglos im Sattel. Vitelozzo Gaetani wendete sein Pferd.
»Was ist?«
»Still! Kein Wort!«
Sie sahen sie, noch bevor sie sie hörten. Sahen wie Wasser weiß aufspritzte unter den Hufen von Pferden, die, dem Fluss folgend,
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