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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Jüngeren und Unerfahreneren überzog.
    Die Sonne stieg höher, sie vertrieb den Nebel, und in ihrem Schein erglänzten die trocknenden Blutstropfen, die wie Beeren an den am Wege wachsenden Disteln und dem Beifuß hingen, rubinrot. In keinem der Ritter erweckten sie ästhetische oder poetische Vorstellungen.
    »Die haben sie aber zugerichtet, verflucht noch eins«, staunte Kunad von Neudeck und spuckte aus. »Das war vielleicht ein Abschlachten, he!«
    »Die reinsten Henkershiebe«, stimmte ihm Wilhelm von Kauffung zu, »ein einziges Schlachthaus!«
    Aus dem Wald wagten sich weitere Überlebende, Knechte und Pferdepfleger, hervor.
    Obwohl totenblass und vor Angst halb von Sinnen, hatten sie sich ihren Pflichten nicht entzogen. Jeder von ihnen führte ein paar von den Pferden, die während des Überfalls davongestoben waren.
    Ramfold von Oppeln, der Älteste der Ritter, blickte vom Pferderücken herab auf den Stallburschen, der, umgeben von den Reitern, vor Angst schlotterte.
    »Wer hat euch überfallen? So rede doch, Junge! Beruhige dich. Du hast überlebt. Dir droht keine Gefahr mehr.«
    »Gott hat mich bewahrt . . .«, in den Augen des Stallburschen stand immer noch die nackte Angst. »Und die Gottesmutter von Wartha.«
    »Lass bei Gelegenheit eine Messe lesen. Aber jetzt rede. Wer ist über euch hergefallen?«
    »Woher soll ich das wissen? Sie haben uns überfallen . . . Sie waren in Rüstung . . . In Eisen . . . Genau wie ihr . . .«
    »Ritter?«, empörte sich ein großer Kerl mit einem Mönchsgesicht,dessen roter Schild zwei silberne gekreuzte Stangen zierten. »Ritter überfallen Kaufleute unterwegs! Beim Leiden Christi, es ist höchste Zeit, diesem Raubrittertum ein Ende zu setzen. Höchste Zeit, zu schärferen Mitteln zu greifen! Vielleicht besinnen sich die Herrchen auf ihren Burgen, wenn ein paar Köpfe durch Henkershand fallen!«
    »Völlig richtig«, pflichtete ihm Wenzel de Hartha mit versteinerter Miene bei. »Völlig richtig, Herr von Runge!«
    »Aber warum hat man euch überfallen?« Oppeln fuhr mit der Befragung fort. »Habt ihr etwas Wertvolles mit euch geführt?«
    »Nein, woher denn . . . Na ja, vielleicht die Pferde . . .«
    »Pferde«, wiederholte de Hartha nachdenklich, »verlockend, Pferde aus Schalkau. Aus dem Gestüt von Frau Dzierżka de Wirsing . . . Gott sei ihrer Seele . . .«
    Er unterbrach sich, schluckte und konnte den Blick nicht von dem zerschundenen Gesicht der Frau wenden, die mit merkwürdig verrenkten Gliedern im Sand lag.
    »Das ist sie nicht.« Der Stallbursche blinzelte, noch immer verwirrt. »Das ist nicht Frau Dzierżka. Das ist die Frau eines Pferdeknechtes . . . Oh, von dem hier, der dort liegt . . . Sie ist mit uns von Glatz hergeritten . . .«
    »Sie haben sich geirrt«, stellte Kauffung gelassen fest. »Sie haben die Frau des Pferdeknechtes für Dzierżka gehalten.«
    »Das müssen sie wohl«, bestätigte der Stallbursche ruhig. »Weil . . .«
    »Weil was?«
    »Weil sie vornehm ausgesehen hat.«
    »Wollt Ihr«, Oppeln reckte sich im Sattel, »wollt Ihr damit sagen, Herr Wilhelm, dass das kein Raubüberfall war? Dass Frau de Wirsing . . .«
    »Das Ziel war? Ja. Dessen bin ich mir sicher.«
    »Sie war das Ziel«, setzte er angesichts der fragenden Blicke der übrigen Ritter hinzu. »Sie war das Ziel, wie Nikolaus Neumarkt. Wie Fabian Pfefferkorn . . . Wie andere, die trotz des Verbots Handel trieben mit . . . Mit dem Ausland.«
    »Die Raubritter sind daran schuld«, erklärte Runge streng. »Man sollte dummem Geschwätz und Gerüchten von Verschwörungen und nächtlichen Dämonen eben nicht glauben. Das alles waren und sind ganz gewöhnliche, von Raubrittern verübte Überfälle.«
    »Es hätten auch«, sagte mit dünnem Stimmchen der blutjunge Heinrich Baruth, der im Unterschied zu allen anderen Heinrichen der Familie nur Spatz genannt wurde, »es hätten auch Juden dieses Verbrechen begehen können. Um Christenblut zu erbeuten, wisst ihr, für die Matze. Oh, seht euch mal diesen Unglückswurm hier an. In dem ist wohl kein einziger Tropfen Blut mehr.«
    »Wie auch«, Wenzel de Hartha blickte den Jungen mitleidig an, »wenn er keinen Kopf mehr hat.«
    »Das hätten auch die Hexen auf den Besen sein können«, warf Gunter von Bischofsheim düster ein, »die uns gestern am Feuer angegriffen haben! Bei der Mütze des heiligen Antonius! Das Rätsel beginnt sich allmählich zu lösen! Ich habe euch doch gesagt, dass Reinmar de Bielau bei den Hexen war, dass ich ihn erkannt

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