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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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deshalb.«
    »Aber vielleicht aus einem anderen Grunde?«, zischte der Böhme giftig. »Ihr habt doch, Herr Ritter, bei Tannenberg auf Seiten der Polen gegen die Ordensritter der Jungfrau Maria gekämpft. Auf Jagiełłos Seite. Des bekehrten Königs, der einerklärter Gönner der böhmischen Häresie ist und sein Ohr gern den Schismatikern und Wyclifiten leiht. Der Brudersohn des Jagiełło, der Apostat Zygmunt Korybut, macht sich in Prag aufs Beste breit, die polnischen Ritter in Böhmen ermorden Katholiken und berauben Klöster. Und obwohl Jagiełło vorgibt, dies geschehe ohne seinen Willen und sein Einverständnis, zieht er doch mit seinem Heer nicht selbst gegen die Ketzer zu Felde! Aber wenn er es täte und sich mit König Sigismund zu einem Kreuzzug verbündete, wäre es auf einen Schlag mit den Hussiten vorbei! Warum tut dies Jagiełło dann nicht?«
    »Eben.« Der Dunkelgesichtige lächelte wieder, und das war ein vielsagendes Lächeln. »Warum? Wer weiß?«
    Konrad Kantner räusperte sich laut. Barfuß tat so, als interessiere ihn ausschließlich das Kraut und die Erbsen. Maciej Korzbok biss sich auf die Unterlippe und nickte mit düsterer Miene.
    »Was wahr ist, muss wahr bleiben«, bekannte er. »Der römische König hat mehrfach gezeigt, dass er kein Freund der polnischen Krone ist. In der Tat stellt sich jeder Großpole, und für die kann ich sprechen, gern zum Kampf um die Verteidigung des Glaubens. Aber nur, wenn der Luxemburger garantiert, dass uns, wenn wir nach Süden ziehen, weder die Deutschordensritter noch die Brandenburger angreifen. Aber wie kann er eine solche Garantie geben, wenn er mit jenen eine Teilung Polens ausheckt? Habe ich Recht, Euer herzogliche Gnaden?«
    »Was soll man dazu sagen?« Kantner lächelte ausgesprochen unaufrichtig. »Mir scheint, wir politisieren wieder einmal zu viel. Aber Politik und Essen passen nicht zueinander. Unter uns, das Essen wird kalt.«
    »Aber man muss darüber sprechen«, protestierte Jan Nejedlý zur Freude der jüngeren Ritter, zu denen schon zwei Schüsseln gelangt waren, die die Ranghöheren fast nicht angerührt hatten. Aber die Freude war verfrüht, die Höhergestellten bewiesen, dass man gleichzeitig reden und essen konnte.
    »Denn merket wohl, edle Herren«, der frühere Prior von St.Clemens nahm das Gespräch wieder auf, wobei er eifrig dem Kraut zusprach, »diese wyclifitische Pest ist nicht nur eine böhmische Angelegenheit. Die Böhmen, so wie ich sie kenne, sind auch bereit, hierher zu kommen, so wie sie nach Mähren und Österreich gezogen sind. Sie können auch zu Euch kommen, Ihr Herren. Zu Euch allen, wie Ihr hier sitzt.«
    »Phh!« Kantner schürzte verächtlich die Lippen und suchte mit dem Löffel in einer Schüssel nach Speckgrieben. »Daran glaube ich nicht.«
    »Ich noch weniger.« Maciej Korzbok prustete in den Bierschaum. »Zu uns nach Posen ist es viel zu weit.«
    »Nach Lebus und Fürstenwalde«, sagte Melchior Barfuß mit vollem Mund, »ist es vom Tábor aus auch ein weiter Weg. Da hab’ ich keine Angst.«
    »Umso schmerzlicher«, versetzte der Priester mit einem hässlichen Lächeln, »da die Böhmen eher bald selbst mit Besuch rechnen können, als damit, gegen jemanden zu ziehen. Besonders jetzt, wo Žižka nicht standhält. Ich denke mir, die Böhmen könnten wohl jeden Tag mit Besuch rechnen.«
    »Ein Kreuzzug? Wisst Ihr etwas darüber, Euer Gnaden?«
    »Wohl nicht«, erwiderte Kantner mit einer Miene, die eher das Gegenteil ausdrückte. »Ich denke mir nur so meinen Teil. Wirt! Bringt Bier!«
    Reynevan schlich still in den Hof hinaus, von dort hinter den Schweinestall und dann zwischen die Sträucher des Gemüsegartens. Nachdem er sich gehörig erleichtert hatte, kehrte er zurück. Aber nicht in die Schankstube. Er ging durch das Tor und blickte lange auf den im Dunst verschwimmenden Weg. Auf dem sich zu seiner Erleichterung keiner von den Brüdern Sterz im Galopp näherte.
    Adele, dachte er plötzlich, Adele ist bei den Zisterzienserinnen von Ellguth keineswegs in Sicherheit. Ich sollte . . .
    Ich sollte. Aber ich habe Angst. Davor, was mir die Sterz’ antun können. Vor dem, was sie in allen Einzelheiten angekündigt haben.
    Er kehrte zurück in den Hof. Mit Erstaunen sah er, dass Kantner und Haugwitz munter und fröhlich hinter dem Schweinestall hervortraten. Eigentlich, dachte er, sollte es mich nicht wundern. Auch Herzöge und Seneschalle gehen in die Büsche und hinter die Ställe. Und das zu Fuß.
    »Sperr die

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