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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gegeben hast, dann war das viel. Und das auch nur, wenn du gefragt wurdest. Hast du Angst vor mir? Geht es um Grunwald? Weißt du was, Junge? Ich könnte dir versichern, dass nicht ich es war, der dir den Vater erschlagen hat. Das wäre überhaupt keiner Anstrengung wert, dir zu versichern, dass ich deinem Vater im Kampf gar nicht begegnen konnte, weil sich das Krakauer Fähnlein im Zentrum der polnisch-litauischen Schlachtordnung befunden hat und das Fähnlein Konrads des Weißen im linken Flügel der Deutschordensritter hinter Tannenberg stand. Aber das sage ich nicht, weil das eine Lüge wäre. Damals, am Tage der Aussendung der Apostel, habe ich viele Leute getötet. In einem vollständigen Durcheinander und gewaltigem Wirrwarr, in dem man kaum etwas gesehen hat. Denn das war eine veritable Schlacht. Nur so viel.«
    »Der Vater«, Reynevan räusperte sich, »hatte auf dem Schild . . .«
    »Ich kann mich nicht an die Wappen erinnern«, unterbrach ihn der Sulimer abrupt und entschieden, »in der offenen Schlacht haben sie für mich keinerlei Bedeutung. Wichtig ist nur, wohin der Kopf des Pferdes weist. Kommt er auf den meines Pferdes zu, dann hole ich aus, selbst wenn die Gottesmutter auf dem Schild abgebildet wäre. Außerdem, wenn sich Blut und Staub und Staub und Blut vermischen, siehst du rein gar nichts auf den beschissenen Schilden. Ich sag es noch einmal, Grunwald, das war eine Schlacht. Und in einer Schlacht geht es eben so zu. Lass es damit gut sein. Sei mir nicht gram.«
    »Ich bin Euch nicht gram.«
    Zawisza hielt den Hengst kurz zurück, erhob sich im Sattel und furzte. Von den Weiden am Wege flogen erschrocken die Dohlen auf. Das Gefolge des Ritters von Garbowo, das aus einem grauköpfigen Knappen und vier bewaffneten Knechten bestand, hielt sich vorsorglich auf Distanz. Sowohl der Knappe als auch die Knechte ritten auf schönen Pferden und warensauber und reich gekleidet. Wie es sich für jemanden gehörte, der Starost von Kruszwice und Spisz war und der, wie das Gerücht ging, Einkünfte aus rund dreißig Dörfern bezog. Weder der Knappe noch die Knechte wirkten jedoch wie seidenweiche, herrschaftliche Pagen. Ganz im Gegenteil, sie sahen aus wie richtige Haudegen, und die Waffen, mit denen sie behängt waren, konnte man keinesfalls zu den Zierstücken rechnen.
    »Also, du bist mir nicht gram?«, begann Zawisza wieder. »Warum bist du dann so schweigsam?«
    »Weil mir scheint«, wagte Reynevan zu sagen, »dass eher Ihr mir gram seid. Und ich weiß auch, warum.«
    Zawisza der Schwarze drehte sich im Sattel herum und betrachtete ihn lange. Schließlich sagte er:
    »Da hat sich mit reuiger Stimme die verletzte Unschuld zu Wort gemeldet. So wisse, Söhnchen, dass es sich nicht schickt, Ehefrauen anderer zu verführen. Wenn du meine Meinung hören willst, ist das ein niederträchtiges Verhalten. Und es verdient Strafe. Ehrlich gesagt, in meinen Augen bist du nicht besser als einer, der Geldbörsen abschneidet oder Hühner stiehlt. Ich denke, einer wie der andere sind kleine Schufte, elende Hundsfötte, die einfach die Situation ausnutzen.«
    Reynevan gab keinen Kommentar dazu ab.
    »Vor Jahrhunderten war es in Polen Brauch«, fuhr Zawisza fort, »dass man Liebhaber von Ehefrauen anderer auf eine Brücke führte und ihre Hodensäcke mit einem eisernen Stift an jene Brücke nagelte. Und ihnen dann das Messer an die Kehle setzte: Wenn du frei sein willst, dann atme aus.«
    Reynevan gab auch diesmal keinen Kommentar ab.
    »Heutzutage nagelt man keinen mehr fest, stellte der Ritter abschließend fest. Schade. Meine Frau Barbara kann man nicht leichtfertig nennen, aber wenn ich mir überlege, dass da in Krakau so ein Galan einen Moment der Schwäche bei ihr ausnutzt, so ein junger Stutzer wie du . . . Ach, schade um jedes Wort.«
    Die Stille, die einige Augenblicke lang herrschte, wurde wiederum durch das Kraut beendet, das der Ritter verspeisthatte. »Jaaa!« Zawisza stöhnte vor Erleichterung und blickte in den Himmel.
    »Du sollst aber wissen, mein Junge, dass ich dich nicht verurteile, nur der darf mit Steinen um sich werfen, der selbst keine Schuld hat. Und damit lass uns dies beenden und nicht mehr davon sprechen.«
    »Die Liebe ist ein großes Ding, und sie hat viele Namen«, sagte nun Reynevan etwas gespreizt. »Wenn man die Lieder und Romanzen hört, wundert sich niemand über Tristan und Isolde, Lancelot und Guinevere, auch nicht über den Troubadour Guillaume de Cabestaing und Frau Marguerite de

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