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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Stich lässt. Als Peter von Bielau durch die Hand rachsüchtiger Papisten starb, hat Herr Scharley seinen Bruder gerettet, ohne auf die Gefahr zu achten, der er sich selbst aussetzte. In der Tat, in der heutigen Zeit ist dies ein seltenes Beispiel von Ehre. Und Freundschaft. Denn wie sagt das alte böhmische Sprichwort so schön:
v nouzi poznáš přítele.
«
    »Der junge Herr Reinmar hingegen«, fuhr Ambros fort, »hat, wie wir hörten, einen Beweis echter Bruderliebe gegeben, als er in die Fußstapfen seines Bruders getreten ist und sich mannhaft gegen Fehler und Unrecht der Papisten gewehrt hat. Wie jeder gläubige und rechtschaffene Mensch spricht er sich für den Kelch aus, und dem käuflichen Rom schwört er ab, wie er dem Teufel abschwört. Das wird man Euch anrechnen. Es ist Euch schon angerechnet worden, Reinmar und Herr Scharley. Als mir Bruder Tybald gemeldet hat, dass die Höllenhunde Euch im Loch begraben haben, habe ich nicht einen Moment lang gezögert.«
    »Großen Dank . . .«
    »Euch gebührt der Dank. Denn dank Eurer Hilfe werden jetzt die Gelder, mit denen der Bischof von Breslau, dieser Lump und Häretiker, unseren Tod kaufen wollte, unserer guten Sache dienen. Ihr werdet sie aus dem Versteck holen und uns, den wahren Christen, überlassen? He? Ist es nicht so?«
    »Ge . . . Ge . . . Geld? Welches Geld?«
    Scharley seufzte lautlos. Urban Horn hüstelte. Tybald Raabe räusperte sich. Ambros’ Gesicht wurde starr.
    »Erlaubt Ihr Euch einen Scherz mit mir?«
    Reynevan und Scharley schüttelten verneinend die Köpfe, und aus ihren Augen blickte eine solch heilige Unschuld, dass der Kaplan besänftigt war. Aber nur ein wenig.
    »Soll ich das etwa so verstehen«, spottete er, »dass ihr dasnicht gewesen seid? Nicht ihr habt den Raub . . . Nicht ihr habt also die Aktion gegen den Steuereinnehmer durchgeführt? Für unsere Sache? Ha! Ihr nicht. Also muss sich ein anderer hierfür verantworten. Und rechtfertigen! Herr Raabe!«
    »Ich habe nicht gesagt . . .«, stotterte der Goliarde, »dass es ganz bestimmt sie gewesen sind, die den Steuereinnehmer ausgeraubt haben. Ich habe gesagt, dass es möglich wäre . . . Der Wahrheit nahe kommen könnte . . .«
    Ambros reckte sich. Seine Augen brannte, sein Gesicht färbte sich an den Stellen, die der Bart nicht bedeckte, puterrot. Einen Moment lag sah der Propst von Hradec Králové nicht mehr aus wie Gottvater, sondern wie der Blitze schleudernde Zeus. Alle duckten sich in Erwartung des Blitzes. Aber der Kaplan beruhigte sich rasch wieder.
    »Du hast etwas ganz anderes gesagt«, sagte er gedehnt. »Oh, oh, du hast mich getäuscht, Bruder Tybald, hast mich in die Irre geführt. Damit ich Berittene nach Frankenstein schicke. Weil du gewusst hast, dass ich sie sonst nicht geschickt hätte!«
    »V nouzi«,
warf Scharley leise ein,
»poznáš přítele.«
    Ambros maß ihn mit einem Blick, aber er sagte nichts. Dann wandte er sich Reynevan und dem Goliarden zu.
    »Ich sollte euch, Freunde, einen nach dem andern, der Folter überantworten«, knurrte er, »denn was die Angelegenheit mit dem Steuereinnehmer und seinem Geld anbelangt, so stinkt mir das ganz gewaltig. Und ihr seht mir alle, mit Verlaub, wie Schwindler aus. Ich sollte euch wirklich dem Henker übergeben, euch alle, so wie ihr hier steht.«
    »Aber«, der Kaplan heftete seine Augen auf Reynevan, »des Andenkens an Peter von Bielau wegen tue ich das nicht. Ja, es geht wohl nicht anders, ich werde das Geld des Bischofs verschmerzen, es war mir, scheint’s, nicht bestimmt. Aber mit euch bin ich fertig. Geht mir aus den Augen. Von mir aus zum Teufel.«
    »Ehrwürdiger Bruder«, Scharley räusperte sich, »von diesemMissverständnis einmal abgesehen . . . Wir hatten darauf gerechnet . . .«
    »Worauf?« Ambros lachte in seinen Bart hinein. »Dass ich euch erlaube, euch uns anzuschließen? Dass ich euch unter meine Fittiche nehme? Dass ich euch nach Hradec Králové, auf die sichere böhmische Seite, mitnehme? Nein, Herr Scharley. Die Inquisition hat euch gefangen gesetzt. Wer gesessen hat, den hätte sie auf ihre Seite ziehen können. Ihr könntet Spitzel sein.«
    »Ihr beleidigt uns.«
    »Ich beleidige lieber euch als meinen Verstand.«
    »Bruder«, einer der Hussitenführer, ein sympathischer Dicker, der wie ein Bettelmönchs oder ein Fleischer aussah, war die Ursache dafür, dass sich die Spannung löste, »Bruder Ambros . . .«
    »Was gibt’s, Bruder Hlušička?«
    »Die Städter haben das Lösegeld

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