Narrenturm - Roman
zusammengebracht. Sie kommen heraus, wie es vereinbart war. Zuerst die Weiber mit den Kindern.«
»Bruder Velek Chrastický«, Ambros gab mit der Hand ein Zeichen, »nimmt die Berittenen und kontrolliert die Umgebung der Stadt, dass keiner entkommt. Der Rest mir nach, alle. Alle, habe ich gesagt. Herrn von Klinštejn vertraue ich vorläufig die Aufsicht über unsere . . . Gäste an. Los weiter, kommt!«
Aus dem Wünschelburger Tor kam tatsächlich eine Menschenschlange hervor, die angstvoll und zögernd durch das Spalier aus hussitischen Speerspitzen zog. Ambros und sein Stab hielten in der Nähe an und musterten die Herauskommenden. Sehr sorgfältig und aufmerksam. Reynevan spürte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten.
»Bruder Ambros«, fragte Hlušička, »werdet Ihr ihnen eine Predigt halten?«
»Wem?« Der Kaplan zuckte mit den Achseln. »Diesem deutschen Gesindel? Die verstehen unsere Sprache nicht, und in ihrer Sprache will ich nicht predigen, weil . . . Holla! Dort!«
Seine Augen blitzten gefährlich auf, seine Miene wurde plötzlich unbeweglich.
»Dort!«, brüllte er. »Dort! Aufhalten!«
Er zeigte auf eine in einen weiten Mantel gehüllte Frau, die ein Kind auf dem Arm trug. Das Kind warf sich hin und her und wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Die Bewaffneten sprangen hinzu, trieben die Menge mit Speeren auseinander, zogen die Frau heraus und rissen ihr den Mantel herunter.
»Das ist kein Weib! Das ist ein Kerl, mit einem Weiberrock verkleidet! Ein Priester! Ein Papist! Ein Papist!«
»Her mit ihm!«
Der Priester, den sie herangeschleppt und auf die Knie geworfen hatten, zitterte vor Angst und hielt krampfhaft den Kopf gesenkt. Man musste ihn dazu zwingen, Ambros ins Gesicht zu sehen. Aber auch dann kniff er die Augen zusammen, und seine Lippen bewegten sich in einem stillen Gebet.
»Na bitte, na bitte.« Ambros stemmte die Arme in die Hüften. »Was für liebevolle Pfarrkinder. Um ihr Pfäfflein zu retten, haben sie ihm nicht nur Weiberröcke gegeben, sondern auch noch ein Kind. Wie aufopferungsvoll! Wer bist du, Pfaffe?«
Der Priester presste seine Augen noch fester zusammen.
»Das ist Nikolaus Megerlein«, sagte einer der Bauern, einer von den Denunzianten, die den hussitischen Stab begleiteten. »Der Propst der hiesigen Pfarrei.«
Unter den Hussiten erhob sich Gemurmel. Ambros lief rot an und sog scharf die Luft ein.
»Pater Megerlein«, sagte er langsam und deutlich. »Sieh mal an! Der Kettenhund der babylonischen Hure! Das verbrecherische Werkzeug in den Händen des Bischofs von Breslau. Derjenige, der den wahren Glauben verfolgt hat, gute Christen der Folter und dem Henker ausgeliefert hat! Und bei Wiesenberg eigenhändig unschuldiges Blut vergossen hat! Gott hat ihn in unsere Hände gegeben! Uns hat er die Strafe für Niedertracht und Unrecht überlassen!« Er keuchte. »Hörst du, du verdammter Pfaffe? Du Mörder? Was ist, verschließt du die Augenvor der Wahrheit? Verschließt du deine Ohren wie die taube Otter in der Bibel? Ha, du häretisches Schwein, du kennst gewiss die Schrift nicht, du hast sie nicht gelesen, du hältst deinen Bischof, diesen Lüstling, das käufliche Rom und deinen Papst, diesen Antichristen, für das einzige Orakel! Und deine auf gotteslästerliche Art vergoldeten Bilder! Ich werde dich gleich Gottes Wort lehren, du Schwein! Die Apokalypse des Johannes, vierzehn, Vers neun: Wenn jemand das Tier und sein Bild anbetet und das Zeichen an seiner Stirn oder an seiner Hand trägt, dann soll er von dem Wein des Gotteszornes trinken! Und soll mit Feuer und Schwefel gequält werden! Mit Feuer und Schwefel, du Papist! He, her hier! Fasst ihn! Und umschließt ihn mit Holzpfählen! So wie wir es mit den Mönchen in Beraun und Prachatitz getan haben!«
Einige Hussiten ergriffen den Propst. Er sah, was die anderen herbeitrugen und begann zu schreien. Man schlug ihm mit der stumpfen Seite einer Axt ins Gesicht, und er verstummte, hing nur noch zwischen den Händen, die ihn festhielten. Samson machte eine heftige Bewegung, aber Scharley und Horn hielten ihn sofort fest. Als er sah, dass die beiden es nicht schaffen würden, sprang Halada hinzu und half ihnen.
»Sei still«, zischte Scharley, »um Gottes willen, sei still, Samson . . .«
Samson wandte den Kopf und sah ihm in die Augen.
Propst Megerlein wurden vier Strohbündel angelegt. Nach kurzer Überlegung gab man zwei weitere dazu, so dass der Kopf des Geistlichen vollständig in den Ähren
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