Narrenturm - Roman
verschwand. Dann wurde alles ordentlich und fest mit einer Kette umwunden. Und an mehreren Seiten angezündet.
Reynevan spürte, wie ihm übel wurde. Er wandte sich ab . . .
Er hörte einen schrecklichen, schier unmenschlichen Schrei, sah aber nicht, wie die Feuerpuppe loslief, über die dünne Schneedecke durch das Spalier von Hussiten taumelte, die sie mit Lanzen und Hellebarden stießen. Wie sie schließlich fiel, sich wälzte und sich in Rauch und Funken hin und her warf.
Brennendes Stroh entwickelt eine Temperatur, die nicht hoch genug ist, um einen Menschen zu töten. Aber ausreichend, um einen Menschen in etwas zu verwandeln, das mit einem menschlichen Wesen nur noch wenig Ähnlichkeit hat. In ein Etwas, das sich in Krämpfen windet und zuckt und grauenerregend schreit, obwohl es keinen Mund mehr hat. Das man schließlich mit gnadenbringenden Keulen- und Axtschlägen zum Schweigen bringen muss.
In der Menge der Wünschelburger jammerten die Frauen, weinten die Kinder. Wieder entstand dort ein Tumult, und nach einer Weile wurde der nächste Priester, ein zaundürrer Alter, herbeigeschleppt und vor Ambros auf die Knie geworfen. Er war nicht verkleidet. Aber er zitterte wie Espenlaub. Ambros beugte sich zu ihm hinunter.
»Noch einer? Wer ist das denn?«
»Pater Straube«, beeilte sich der sich als Denunziant betätigende Bauer zu sagen, »er war früher hier Propst, vor Megerlein . . .«
»Aha. Das heißt, ein im Ruhestand befindliches Pfäfflein. Na, Alter? Das Ende deines irdischen Daseins hast du, wie ich sehe, fast erreicht. Ist es da nicht Zeit, an die Ewigkeit zu denken? Den papistischen Fehlern und Sünden zu entsagen? Du wirst nicht erlöst werden, wenn du weiterhin darin verharrst. Du hast ja gesehen, was sie mit deinem Confrater gemacht haben. Nimm den Kelch an, schwöre auf die Vier Artikel. Dann bist du frei. Heute und für alle Ewigkeit.«
»Herr!«, stotterte der Alte und faltete die Hände. »Guter Herr! Erbarmen! Wie soll ich denn? Abschwören? Das ist doch mein Glaube . . . Obwohl . . . Petrus . . . Bevor der Hahn krähte . . . Ich kann das nicht . . . Gott, erbarm dich . . . Ich kann einfach nicht!«
»Verstehe.« Ambros nickte. »Ich billige es nicht, aber ich verstehe. Je nun, Gott schaut auf uns alle. Lasst uns Erbarmen haben. Bruder Hlušička!«
»Jawohl!«
»Lasst uns Erbarmen haben. Ohne Qualen.«
»Zu Befehl!«
Hlušička trat zu einem der Hussiten und nahm dessen Dreschflegel. Und Reynevan sah zum ersten Mal dieses überall mit den Hussiten in Verbindung gebrachte Instrument seine Tätigkeit ausüben. Hlušička schwang den Dreschflegel, wirbelte ihn herum und ließ ihn mit aller Kraft auf Pater Straubes Kopf sausen. Durch den wuchtigen Schlag mit dem Flegel zerbarst der Kopf wie ein Tonkrug, Blut und Hirn spritzten umher.
Reynevan spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Er sah das bleiche Gesicht Samson Honigs, sah, wie sich die Hände von Scharley und Urban Horn wieder in die Schultern des Riesen krallten.
Brázda von Klinštejn hatte den glimmenden und dampfenden Leichnam Propst Megerleins nicht aus den Augen gelassen.
»Miegerlin«, sagte er plötzlich und rieb sich das Kinn, »Miegerlin, nicht Megerlein.«
»Was?«
»Der Pfaffe, der Bischof Konrad auf dem Zug ins Gebiet von Trautenau begleitete, hieß Miegerlin. Nicht Megerlein.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, dass das Pfäfflein unschuldig war.«
»Das macht nichts«, sagte plötzlich Samson Honig mit dumpfer Stimme, »das macht weiter nichts. Gott wird das unfehlbar herausfinden. Überlassen wir es ihm.«
Ambros wandte sich heftig um, heftete seine Augen auf ihn und sah ihn lange an. Dann blickte er auf Reynevan und Scharley.
»Gesegnet sind die Armen im Geiste«, erklärte er. »Der Engel spricht manchmal durch den Mund der Einfältigen. Aber gebt Acht auf ihn, sonst denkt jemand am Ende noch, dass der Dummling versteht, was er sagt. Und wenn dieser jemand weniger verständnisvoll ist als ich, dann wird das schlimm enden.Sowohl für ihn, wie auch für seine Brotherrn. Aber ganz allgemein hat der Dumme Recht«, fügte er hinzu. »Gott richtet, er trennt die Spreu vom Weizen, die Schuldigen von den Unschuldigen. Außerdem ist kein päpstlicher Pfaffe unschuldig. Jeder Diener Babylons ist einer Strafe würdig. Und die Hand eines treuen Christen . . .«
Seine Stimme hob sich immer mehr und hallte immer lauter, zog über die Köpfe der Bewaffneten hinweg, flog, schien es, hoch über dem Qualm, der trotz
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