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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Herr Ritter Brázda endlich herabgelassen, hier mit der Elite seiner edlen Reiterei zu erscheinen. Nun ja, besser spät, als nie.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so zügig vorangeht.« Brázda von Klinštejn zuckte mit den Achseln. »War’s das schon? Haben sie sich ergeben?«
    »Was denkt Ihr denn? Natürlich haben sie sich ergeben, womit hätte sich denn hier jemand verteidigen können? Es hat genügt, ein paar Dächer in Brand zu setzen, sofort haben sie angefangen zu verhandeln. Jetzt löschen sie die Brände, und der hochwürdige Ambros empfängt gerade ihre Abordnung. Deswegen müsst ihr warten.«
    »Was sein muss, muss sein. Absitzen, Jungs.«
    Zu Fuß näherten sie sich dem Stabe des hussitischen Heeres, in einer kleinen Gruppe, von den Böhmen waren nur Brázda, Halada und der Schnauzbart Velek Chrastický dabei. Natürlich begleiteten sie auch Urban Horn und Tybald Raabe.
    Sie kamen gerade bei Verhandlungsschluss an. Die Abgesandten aus Wünschelburg waren in Begriff zu gehen, bleich und arg erschrocken zogen die Bürger ab, blickten sich angstvoll um und drehten ihre Mützen in den Händen. Ihren Mienen war zu entnehmen, dass sie nicht viel herausgeholt hatten.
    »Wie üblich«, sagte der Böhme mit der Pelzkappe leise, »Weiber und Kinder haben freies Geleit, und zwar sofort. Die Männer müssen sich freikaufen, wenn sie abziehen wollen. Und das Lösegeld für die Stadt zahlen, die sonst niedergebrannt wird. Darüber hinaus . . .«
    »Müssen alle papistischen Priester ausgeliefert werden«, beendete Brázda, der dies anscheinend schon öfter erlebt hatte, den Satz. »Und alle Flüchtlinge aus Böhmen. Ha, es sieht ganz so aus, als hätte ich mich überhaupt nicht beeilen müssen. Das Geleit für die Weiber und das Einsammeln des Lösegeldes dauert eine Weile. Wir werden nicht so schnell abziehen.«
    »Kommt mit, zu Ambros.«
    Reynevan erinnerte sich an das Gespräch, das Scharley und Horn über den früheren Propst von Hradec Králové geführt hatten. Er erinnerte sich daran, dass sie ihn als Fanatiker, Extremisten und Radikalen beschrieben hatten, noch viel eifernder und rücksichtsloser als die radikalsten und glühendsten Taboriten. Er machte sich also darauf gefasst, einem kleinen, hageren und glutäugigen Tribun gegenüberzutreten, der mitden Händen wedelte und seine von Geifer und Demagogie triefenden Glaubenssätze herausschrie. Hingegen erblickte er einen wohlgestalteten und Gesten sparsam verwendenden Mann in einem schwarzen Gewand, das an ein Habit erinnerte, aber kürzer war und seine hohen Stiefel freiließ. Dieser Mann trug einen Bart, breit wie eine Schaufel, der fast bis zu seinem Gürtel reichte, von dem ein Schwert herabhing. Trotz dieses martialischen Signums wirkte der Hussitenkaplan eher gutmütig. Und jovial. Vielleicht riefen auch die hohe, gewölbte Stirn, die eckigen Brauen und jener Bart diesen Eindruck hervor, dem es zu verdanken war, dass Ambros ein bisschen aussah wie Gottvater auf byzantinischen Ikonen.
    »Herr Brázda«, grüßte er recht herzlich. »Ja, besser spät, als nie. Die Aktion hat erfolgreich geendet, wie ich sehe? Ohne Verluste? Das lob ich mir. Und Bruder Urban Horn? Aus welcher Wolke ist er heruntergefallen?«
    »Aus einer schwarzen«, erwiderte Horn missvergnügt. »Dank für die Rettung, Bruder Ambros. Sie kam nicht einen Moment zu früh.«
    »Freut mich, freut mich.« Ambros nickte. »Und auch die anderen werden erfreut sein. Wir haben dich schon beweint, als sich die Kunde verbreitete. Aus den bischöflichen Klauen ist schwer zu entkommen. In der Tat, eher entkommen die Mäuse den Krallen der Katze. Das ist, mit einem Wort, wohlgelungen . . . Obwohl es wahr ist, dass ich nicht deinetwegen einen Trupp nach Frankenstein geschickt habe.«
    Er heftete seine Augen auf Reynevan, und Reynevan spürte, wie ihm ein Schauder zwischen den Schulterblättern hinunterlief. Der Kaplan schwieg lange.
    »Der junge Herr Reinmar von Bielau«, stellte er schließlich fest. »Der leibliche Bruder Peter von Bielaus, eines wahren Christen, der für die Sache des Kelches so viel Gutes getan hat. Und der sein Leben dafür hingegeben hat.«
    Reynevan verneigte sich wortlos. Ambros wandte den Kopf, längere Zeit musterte er Scharley. Es dauerte etwas, bis Scharleydemütig die Augen niederschlug, aber man merkte auch so, dass er dies nur aus Gründen der Diplomatie tat.
    »Herr Scharley«, sagte schließlich der Propst aus Hradec Králové. »Der in der Not keinen im

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