Narrenturm - Roman
so sehr geboten, dass man, falls es nötig ist, den jungen Herrn von Bielau zur Folter führen wird. Denn nichts erhellt bekanntlich eine verdächtige Angelegenheit besser als ein glühendes Eisen.«
»Aber was sagt Ihr denn da.« Brázda lächelte, aber keineswegs überzeugend. »An so etwas denkt doch keiner!«
»Denn Herr Reinmar ist doch der Bruder von Herrn Peter!«, setzte Oldřich Halada ebenso wenig überzeugend hinzu. »Und Herr Peter von Bielau war einer von uns. Ihr gehört doch auch zu uns . . .«
»Und solche sind frei, nicht wahr?«, warf Urban Horn spöttisch ein. »Sie können, wenn sie es wünschen, gehen, wohin sie wollen? Sogar auf der Stelle? Was? Herr Brázda?«
»Na . . .«, stotterte der Hetman der Reiterei von Hradec Králové. »Das . . . Das nicht. Das können sie nicht. Ich habe andere Befehle. Denn, seht ihr . . .«
»Es ist gefährlich hier in der Gegend.« Halada räusperte sich. »Wir müssen euch . . . Hmmm . . . Gut bewachen.«
»Klar. Das müsst ihr.«
Die Sache war klar. Ambros interessierte sich nicht mehr für sie und beachtete sie nicht weiter, aber sie standen unter der ständigen Beobachtung und Kontrolle durch die Hussitenkrieger. Sie genossen eine scheinbare Freiheit, niemand drängte sich ihnen auf, ganz im Gegenteil, man behandelte sie wie Kameraden – man hatte sie sogar bewaffnet und in die leichte Kavallerie Brázdas aufgenommen, die jetzt nach dem Zusammenschluss mit den Hauptkräften mehr als hundert Reiter zählte. Aber sie standen unter Bewachung, und diese Tatsache konnte keiner leugnen. Scharley hatte anfangs noch mit den Zähnen geknirscht und leise vor sich hin geflucht, aber schließlich winkte auch er nur noch ab.
Blieb der Überfall auf den Steuereinnehmer. Weder Scharley noch Reynevan hatten die Absicht, diesen zu vergessen. Und nicht vor aufzugeben.
Obwohl Tybald Raabe das Gespräch mit ihnen geflissentlich mied, wurde er schließlich doch in die Enge getrieben. Genauer, gegen einen Wagen gedrückt.
»Was hätte ich denn tun sollen?«, empörte er sich, als sie ihn endlich zu Wort kommen ließen. »Herr Samson hat Druck ausgeübt! Da hab’ ich mir etwas ausdenken müssen! Denkt ihr vielleicht, Ambros hätte uns die Berittenen gegeben, wenn das Gerücht über das Geld nicht gewesen wäre? Genau, und im Himmel ist Jahrmarkt! Es wäre doch wohl angebracht, Danke schön zu sagen, anstatt mich anzuschreien! Wenn ich nicht die Idee gehabt hätte, würdet ihr jetzt im Narrenturm sitzen und auf den Inquisitor warten!«
»Das von dir in die Welt gesetzte Gerücht hätte uns das Leben kosten können. Wenn Ambros gieriger gewesen wäre . . .«
»Wenn, wenn! O weh!« Der Goliarde rückte seine Kapuze wieder zurecht, die ihm Scharley fast heruntergezogen hatte.»Als ob ich nicht gewusst hätte, wie sehr er Herrn Peter geschätzt hat? Es war so gut wie sicher, dass er den Junker Reinmar nicht anrühren würde. Zum Ersten. Und zum Zweiten . . .«
»Was, zum Zweiten?«
»Ich habe wirklich gedacht . . .«, Tybald Raabe räusperte sich ein paarmal, »was soll ich da lange herumreden . . . Ich war fast sicher, dass ihr den Steuereinnehmer am Steubernhau ausgeraubt habt.«
»Und wer hat ihn ausgeraubt?«
»Ihr nicht?«
»Freundchen, du flehst geradezu um einen Tritt in den Hintern. Gut, jetzt sag uns, wie du es geschafft hast, dem Überfall zu entgehen?«
»Wie schon?«, brummte der Goliarde. »Durchs Wegrennen! Ich habe meine Beine ordentlich in die Hand genommen. Und hab’ mich nicht umgedreht, obwohl sie da hinten um Hilfe gerufen haben!«
»Lerne daraus, Reinmar.«
»Ich lerne jeden Tag«, entgegnete ihm Reinmar. »Und die anderen, Tybald? Was ist mit denen geschehen? Mit dem Steuereinnehmer? Mit den Franziskanern? Mit Ritter von Stietencron? Und mit . . . Mit seiner Tochter?«
»Ich habe es doch schon gesagt, Junker. Ich habe mich nicht umgedreht. Fragt nicht weiter.«
Reynevan fragte nicht weiter.
Die Dämmerung brach herein, aber zu Reynevans großer Verwunderung schlug das Heer kein Lager auf. In einem nächtlichen Marsch erreichten die Hussiten das Dorf Rathen, Brände erhellten die Schwärze der Nacht. Die Besatzung der Rathener Burg hatte Ambros’ Ultimatum missachtet und den Parlamentär mit Pfeilen aus Armbrüsten beschossen, also ging man jetzt im Feuerschein der brennenden Hütten zum Sturm über. Die Wehrburg wurde hartnäckig verteidigt, aber sie fiel noch vordem Morgengrauen. Die Verteidiger mussten für ihren Widerstand
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