Narrenturm - Roman
den Mauern hingegen standen in schwarzen Kreisen aus Brandresten und Aschehaufen sieben verkohlte Pfähle. Der Wind trug den widerlichen Gestank von Verbranntem herüber.
»Hussiten«, erklärte einer der Denunzianten, ein Bauer, von denen ein gutes Dutzend Ambros’ Heer ergeben begleitete. »Hussiten, aufgegriffene Böhmen, Begarden und ein Jude. Das ist zur Abschreckung. Als sie erfahren haben, wohlgeborener Herr, dass Ihr kommt, haben sie alle aus dem Kerker gezerrt und verbrannt. Um die Häretiker . . . das heißt . . . verzeiht . . ., Euch, abzuschrecken und zu schmähen.«
Ambros nickte. Er sagte kein Wort. Sein Miene war versteinert.
Die Hussiten nahmen rasch und geschickt ihre Positionen ein. Das Fußvolk stellte die Pavesen und die Tarrasbüchsen auf. Auch die Artillerie bereitete sich vor. Von den Mauern herab wurde geschrien und geflucht, von Zeit zu Zeit knallte ein Schuss, oder es kamen Bolzen geflogen.
Aufgeschreckte Krähen krächzten und stritten sich am Himmel, verirrte Dohlen segelten hin und her.
Ambros bestieg den Kampfwagen.
»Rechtgläubige Christen!«, rief er. »Treue Böhmen!«
Die Krieger verstummten. Ambros wartete, bis vollkommene Stille eintrat.
»Ich habe vor dem Altar die Seelen derer gesehen, die man wegen des Gotteswortes und des Zeugnisses, das sie dafür ablegten, getötet hat«, rief er und wies auf die verkohlten Pfähle und die Brandreste, »und die mit lauter Stimme riefen: Wann, heiliger und wahrhaftiger Herrscher, wirst du Gericht halten und um unser Blut diejenigen strafen, die diesen Boden bevölkern?
Ich sah einen Engel, der in der Sonne stand! Der rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die oben am Himmel fliegen: Kommt, versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes, und esst das Fleisch der Könige und der Hauptleute und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen! Und ich habe die Bestie gesehen!«
Auf den Mauern erhob sich Getöse, Flüche und Schimpfworte wurden ausgestoßen. Ambros hob die Hand.
»Da sind die Vögel Gottes über uns, die uns den Weg weisen! Und da, dort vor euch: die Bestie! Das ist Babylon, trunken vom Blut der Märtyrer! Das ist der für seinen Aberglauben berüchtigte Pfuhl der Sünde und des Bösen, der Schlupfwinkel der Diener des Antichristen!«
»Auf sie!«, brüllte einer der Krieger. »Tooood!«
»Denn hier kommt der Tag, brennend wie ein Feuerofen, und alle Hochmütigen und alle die Elend verursachen, werden sein wie Stroh, also wird dieser aufkommende Tag sie verbrennen, so dass von ihnen keine Wurzel und kein Zweig übrig bleibt!«
»Brennt sieee! Tooood! Schlagt! Mordet! Auf sieee!«
Ambros hob beide Arme, die Menge wurde sofort still.
»Uns erwartet Gottes Werk«, rief er. »Ein Werk, an das wir reinen Herzens herangehen müssen, nach dem Gebet! Auf die Knie, treue Christen! Lasset uns beten!«
Das Heer kniete unter Gerassel und Geklirr hinter den Pavesen und Tarrasbüchsen nieder.
»Otče náš«,
begann Ambros vernehmlich,
»jenž jsi na nebesích, bud’ posvĕceno tvé jméno . . .«
»Přijd’ tvé království!«
, donnerte die knieende Armee mit gewaltiger Stimme.
»Staň se tvá vůle! Jako v nebi, tak i na zemi!«
Ambros faltete weder die Hände, noch senkte er den Kopf. Er blickte auf die Mauern von Wartha, und in seinen Augen brannte der Hass. Er hatte die Zähne wie ein Wolf gefletscht und Schaum auf den Lippen.
»Und vergib uns unsere Sünden!«, schrie er. »Wie auch wir vergeben . . .«
Einer der Knienden in der ersten Reihe, schoss, statt zu vergeben, aus seinem Rohr auf die Mauern. Von den Mauern wurde das Feuer erwidert, die Schießscharten hüllten sich in Pulverdampf, Kugeln und Bolzen zischten und schlugen wie ein Hagelsturm gegen die Pavesen.
»Und führe uns nicht in Versuchung!« Der Schrei der Hussiten übertönte den Lärm der Schüsse.
»Ale vysvobod’ nás od zlého!«
»Amen!«, heulte Ambros. »Amen! Und jetzt vorwärts, treue Böhmen!
Vpřed, boži bojovnicí!
Tod den Knechten des Antichristen! Mordet die Papisten!«
»Auf sie!«
Die Tarrasbüchsen spuckten Feuer und Blei, die Hakenbüchsen und Kanonen donnerten, die Bolzen zischten, ein mörderischer Regen von Geschossen fegte die Verteidiger buchstäblich von der Mauer. Die zweite Salve, diesmal mit Brandgeschossen, stürzte wie Feuervögel auf die Dächer der Häuser. Hinter einem angehobenen Schanzbrett hervor donnerte eine Büchse, die das ganze Vortor in dichten, stinkenden Qualm hüllte. Das Tor
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