Narrenturm - Roman
bezahlen – sie wurden niedergemacht.
Der Marsch wurde im Morgengrauen fortgesetzt, und Reynevan war bereits zu der Erkenntnis gelangt, dass Ambros’ Zug ins Glatzer Land den Charakter einer Strafexpedition hatte: Das war die Rache für den Überfall auf Nachod und Trautenau im Herbst, für das Blutbad, welches das Heer von Bischof Konrad von Breslau und die Leute von Puta von Czastolovice bei Wiesenberg und in den Dörfern an der Mettau angerichtet hatten. Nach Wünschelburg und Rathen bezahlte nun Steine für Wiesenberg und Mettau. Steine gehörte Johann Haugwitz, und Johann Haugwitz hatte am »bischöflichen« Kreuzzug teilgenommen. Steine ereilte die Strafe dafür – es wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Zwei Tage vor dem Fest seiner Patronin ging das Kirchlein St. Barbara in Flammen auf. Dem Propst war die Flucht gelungen, er hatte damit seinen Kopf vor den Dreschflegeln gerettet.
Die brennende Kirche im Rücken, las Ambros die heilige Messe, denn es war, wie sich zeigte, ein Sonntag. Die Messe war unverkennbar hussitisch, unter freiem Himmel, an einem einfachen Tisch. Ambros hatte nicht einmal sein Schwert abgenommen.
Die Böhmen beteten laut. Samson Honig, unbeweglich wie eine antike Statue, stand da und betrachtete die brennende Imkerei und das Feuer, das die strohgeflochtenen Bienenkörbe erfasste.
Nach der Messe zogen die Hussiten, die rauchenden Brandstätten hinter sich lassend, nach Osten, durchquerten eine Senke zwischen dem Hohberg und dem Kegelberg, um gegen Abend nach Gabersdorf zu gelangen. Das war im Besitz der Familie von Zeschau. Die Verbissenheit, mit der sich die Hussiten auf das Dorf warfen, zeugte davon, dass einer aus diesem Geschlecht ebenfalls mit dem Bischof in Wiesenberg gewesen sein musste. Nicht eine einzige Bauernkate, nicht eine einzigeScheune, nicht eine einzige Hütte, nicht ein einziger Verschlag blieb stehen.
»Wir sind vier Meilen von der Grenze entfernt«, Urban Horn erging sich übertrieben laut und herausfordernd in dunklen Vermutungen, »und nur eine Meile von Glatz. Dieser Qualm ist weithin sichtbar, und Nachrichten haben flinke Beine. Wir laufen dem Löwen direkt ins Maul.«
Das taten sie. Als das Hussitenheer nach erfolgter Plünderung aus Gabersdorf abmarschierte, erschien von Osten her eine Schar Reiter in der Stärke von etwa hundert Mann. Unter ihnen waren ziemlich viele Johanniter, und die Wappen auf den Standarten kündeten von der Anwesenheit der Haugwitz’, der Muschen und der Zeschau. Beim Anblick der Hussiten stob die Schar jedoch Hals über Kopf davon.
»Wo ist denn der Löwe?«, spottete Ambros, »Bruder Horn? Wo ist denn das Maul? Vorwärts, ihr Christen! Vorwärts, ihr Gottesstreiter! Vorwärts, maaaarsch!«
Zweifelsohne war Wartha das Ziel der Hussiten. Hatte Reynevan anfangs noch Zweifel gehegt – Wartha war schließlich eine große Stadt und selbst für jemanden wie Ambros ein zu harter Brocken –, so zerstreuten sich diese bald. Das Heer hielt für die Nacht in einem Wald in der Nähe von Neisse an. Und bis Mitternacht hörte man die Axtschläge. Man fertigte Pfahlleitern – sie erinnerten an die mit hervorstehenden Aststümpfen versehenen Stangen im Wappen der Ronovic –, einfache, handliche, billige und außerordentlich wirksame Gerätschaften zur Erstürmung von Wehrmauern.
»Werdet ihr stürmen?«, fragte Scharley unumwunden. Mit dem Hetman von Ambros’ Reiterei saßen sie um einen Kessel mit dampfender Erbsensuppe und verspeisten, auf die Löffel pustend, dessen Inhalt. Samson Honig, der seit Wünschelburg sehr schweigsam war, leistete ihnen Gesellschaft. Der Riese interessierte Ambros nicht im Geringsten und erfreute sich völliger Freiheit, diese nutzte er jedoch seltsamerweise dazu,in der Feldküche zu helfen, die von Frauen und Mädchen aus Hradec Králové betrieben wurde, düsteren, wenig mitteilsamen, unnahbaren und scheinbar geschlechtslosen Gestalten.
»Ihr werdet Wartha erstürmen«, vergewisserte sich Scharley, als seine Frage nur mit Schmatzen und Löffelpusten beantwortet wurde. »Habt ihr da etwa mit jemandem eine Rechnung zu begleichen?«
»Du hast es erraten, Bruder.« Velek Chrastický wischte sich seinen Schnauzbart ab. »Die Zisterzienser von Wartha haben für Bischof Konrad die Glocken geläutet und die Messe gelesen, als er im Herbst gegen Nachod gezogen ist, um zu rauben, zu brennen und Frauen und Kinder zu morden. Wir müssen ihnen zeigen, dass so etwas nicht ungestraft
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