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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schankstuben und Bauernkaten erbaten.
    »Gelobt sei Jesus Christ!«
    »In Ewigkeit, Amen!«
    Der Alte sah denn auch so recht wie ein typischer Bettler aus. Zahlreiche bunte Flicken zierten seinen Bauernkittel, die Bastschuhe und die krumme Gestalt zeugten von vielen gegangenenWegen. Unter der abgerissenen Kappe, zu der hauptsächlich Hasen und Katzen das Fell geliefert hatten, schauten eine rote Nase und ein abstoßender Bart hervor. Über der Schulter trug der Alte einen bis zum Boden reichenden Beutel und um den Hals an einer Schnur ein zinnenes Töpfchen.
    »Mögen der heilige Wenzel und der heilige Vinzent euch beistehen, die heilige Petronella und die heilige Hedwig, die Schutzherrin . . .«
    »Wohin führen diese Wege?«, unterbrach Scharley die Litanei. »Wo entlang, Alter, geht es nach Schweidnitz?«
    »Hä?« Der Alte legte die Hand ans Ohr. »Was sagt Ihr?«
    »Wohin diese Wege führen!!!«
    »Aaach . . . die Wege . . . aaach . . . Ich weiß! Da lang geht es nach Oels . . . und da lang nach Freiburg . . . und da . . . Deibel noch mal . . . ich hob’s vagessen . . .«
    »Spielt keine Rolle.« Scharley winkte ab. »Ich weiß schon alles. Wenn dort Freiburg ist, liegt in der entgegengesetzten Richtung Stannowitz, am Weg nach Striegau. Nach Schweidnitz über Jauerberg führt demnach dieser Weg hier. Bleib gesund, Alter!«
    »Möge euch der heilige Wenzel . . .«
    »Sollte aber«, diesmal unterbrach ihn Reynevan, »Euch irgendwer nach uns fragen, so habt Ihr uns nicht gesehen. Kapiert?«
    »Wie sollte ich das nicht kapieren? Möge Euch der heilige . . .«
    »Damit du dir aber gut merkst, worum wir dich bitten, Scharley wühlte in seiner Tasche, ist hier ein Geldstück für dich, Alterchen.«
    »Ach du liebes Gottchen! Danke! Möge Euch . . .«
    »Und Euch auch.«
    »Schau mal«, Scharley sah sich um, nachdem sie ein Stück weitergezogen waren, »schau doch mal, wie der sich freut, Reinmar, wie der voller Freude das Geldstück befingert und beriecht, sich an seiner Größe und seinem Gewicht ergötzt. In der Tat, so ein Anblick ist eine wahre Belohnung für den Spender.«
    Reynevan antwortete nicht, er war mit der Beobachtung eines Vogelschwarmes beschäftigt, der plötzlich über dem Wald aufgestiegen war.
    »Wahrlich«, Scharley schwadronierte mit ernsthafter Miene weiter, während er neben dem Pferd herlief, »man darf nie gleichgültig und seelenlos am menschlichen Elend vorbeigehen. Man darf einem armen Menschen nie den Rücken kehren. Besonders dann nicht, wenn jener arme Mensch einem plötzlich mit dem Stock von hinten eins über den Schädel ziehen kann. Hörst du mich, Reinmar?«
    »Nein, ich schaue nach diesen Vögeln.«
    »Was für Vögel? O verdammt! In den Wald! In den Wald, schnell!«
    Scharley versetzte dem Pferd einen gewaltigen Schlag auf die Hinterbacken und rannte so schnell davon, dass ihn das erschrocken losgaloppierende Pferd erst hinter dem Waldsaum einholte. Reynevan sprang im Wald aus dem Sattel, zog das Ross ins Dickicht und gesellte sich dann dem Demeriten zu, der aus einem Gebüsch den Weg beobachtete. Ein Weilchen geschah gar nichts, die Vögel hatten aufgehört zu lärmen, alles war ruhig und so still, dass Reynevan schon drauf und dran war, Scharley seiner übergroßen Vorsicht wegen zu verspotten. Er schaffte es aber nicht.
    Auf der Weggabelung erschienen vier Reiter und umringten unter Hufgetrappel und Pferdeschnauben den Alten.
    »Das sind keine Striegauer«, brummte Scharley, »also müssen das . . . Reinmar?«
    »Ja«, bestätigte Reynevan wie betäubt, »das sind sie.«
    Kyrieleison beugte sich herab und fragte den Alten etwas, Stork von Gorgewitz bedrängte ihn mit dem Pferd. Der Alte schüttelte den Kopf, hob flehend die Hände und wünschte ihnen rasch, die heilige Petronella möge ihnen beistehen.
    »Kunz Aulock«, zu Reynevans Überraschung kannte Scharley ihn, »genannt Kryrieleison. Ein rechter Halsabschneider, obwohl er ein Ritter aus angesehenem Gechlecht ist. Stork vonGorgewitz und Sybko von Kobelau, die sind echtes Lumpenpack. Und der mit der Marderkappe ist Walter de Barby. Mit dem Fluch des Bischofs belegt für den Überfall auf das Vorwerk von Ottendorf, das den Dominikanerinnen von Ratibor gehört. Du hast nicht erwähnt, Reinmar, dass dir solche Berühmtheiten auf den Fersen sind.«
    Der Alte fiel auf die Knie, flehte, bat, schrie und schlug sich an die Brust. Kyrieleison beugte sich aus dem Sattel und hieb ihm mit der Knute über den Rücken, auch Stork und

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