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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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überzeugen.
    „Daniel! Her da mit dir!“
    Käfer war gerade dabei, im Gasthaus
Zur Sonne
ein Bier an der Schank zu trinken, als er Maria Schlömmers Stimme hörte. Er schaute sich suchend um und erblickte die Bäuerin in einer Runde von altmodischen Ringern in gestreiften Trikots, mächtige Schnurrbärte vor den Gesichtern, das Haar mit Pomade nachhaltig fixiert. Merkwürdigerweise intonierten die starken Männer soeben ein Kärntner Volkslied. Als Käfer zum Tisch kam, setzten sie zu einem inbrünstigen Schlussakkord an und rückten enger zusammen, damit er einen Sessel neben den von Maria zwängen konnte. „Das ist er!“, sagte sie triumphierend und fügte erklärend hinzu: „Ich hab alles von dir erzählt, Daniel. Und natürlich vom Henning.“
    „Wirklich alles?“
    „Ein bissl mehr. Die da vertragen was.“ Die Turner nickten synchron und stimmten ein weiteres Lied an, nicht minder betörend als das vorherige. „Je größer der Rausch, desto mehr Gefühl.“ Maria hob ihr Glas. „Wo treibt’s dich noch hin heute?“
    „Bald einmal nach Haus, denk ich, war ein langer Tag.“ Käfer kämpfte mit erhobener Stimme gegen den Chorgesang an. „Und du?“
    „Bis ich halt ins Bett find. Muss ja nicht das eigene sein.“
    „Maria!“
    „Ist was?“
    „Aber nein. Ich geh dann wieder.“
    Käfer atmete auf, als er die frische Winterluft spürte. Auf der Straße war es relativ ruhig. Gemächlich ging er weiter. Er bog in das steil ansteigende Riemergässchen ein, wo er Anna zuletzt gesehen hatte, erreichte den Chlumetzkyplatz und schaute vor dem wuchtigen Gebäude des Kammerhofes zum kleinen Turm hinauf, in dem er doch tatsächlich Licht sah. Entweder machte der von ihm sehr geschätzte Redakteur der
Alpenpost
Überstunden oder er kam nach eigenen närrischen Umtrieben erst jetzt zum Arbeiten. Dann führte ihn sein nächtlicher Spaziergang hinunter zur Grundlseer Traun und weiter zur Pfarrkirche. Vor dem Gasthaus
Zur Traube
blieb er stehen. In den Fenstern war Licht, Käfer hörte ein paar wehmütige Takte Faschingsmarsch und schaute neugierig durch das Tor. Der Raum dahinter war bis zum Gewölbe hinauf mit einem wahren Gebirge von Trommeln gefüllt. Käfer empfand sich als Eindringling und wollte schon wieder gehen, als er seinen Namen hörte. Ein Trommelweib ohne Maske stand in der Tür zur Gaststube und forderte ihn mit einer knappen Kopfbewegung auf einzutreten.
    „Sie kennen mich?“
    „Wer nicht? Kommen S’ nur weiter. Der Hubert ist auch wieder da.“
    Jetzt sah sich Käfer einer unüberschaubaren Menge von Trommelweibern gegenüber. Das ganze weitläufige Wirtshaus war voll von wohlig ermatteten, weiß gekleideten Gestalten, die keine Masken mehr trugen. Sie aßen und tranken gemächlich, ließen hin und wieder ihren würdevollen Rausch in die Musik gleiten, elegisch oder hitzig improvisierend und dann doch wieder in schwergefügter Ordnung und Harmonie.
    Käfer stand an der Schank und sah Hubert Schlömmer auf sich zukommen, der sein Kostüm ja am frühen Nachmittag abgelegt hatte. „Grüß dich, Hubert. Ich bin direkt erleichtert, nicht als einziger Zivilist hier zu stehen.“
    „Wir haben noch einen.“ Schlömmer zeigte auf eine entfernte Ecke des Saales. Erst jetzt bemerkte Käfer, dass dort eine rundliche Gestalt saß und offenbar schlief: altmodisch gekleidet, mit einem spitzen Hut auf dem Kopf.
    „Der Schiller. Rauschig.“
    „Also hat er doch noch irgendwie Frieden geschlossen mit euch Trommelweibern? Und was ist das für ein Kostüm?“
    „Keine Ahnung.“
    Schlömmer wandte sich ab und ging zu seinem Tisch zurück. Vielleicht brachte ihn die Nähe Daniel Käfers in Verlegenheit.
    Nach und nach machte sich die Ermattung am Ende eines harten Tages ja bemerkbar. Immer mehr Trommelweiber brachen zum Heimweg auf, doch eine Handvoll blieb und würde wohl noch lange bleiben. Auch Käfer wollte gehen. Zuvor aber trat er noch auf Schiller zu und betrachtete ihn nachdenklich. Der schlafende Mann machte einen merkwürdig starren Eindruck. Käfer gab ihm einen leisen Stoß. „He, Herr Schiller! Aufwachen, es ist Zeit zum Schlafengehen!“ Dann sah er Hubert Schlömmer neben sich, der dem Reglosen eine leichte Ohrfeige gab. Keine Reaktion. „Auweh. Der hat zu viel erwischt.“
    „Alkoholvergiftung, Hubert? Ja …, aber dann muss ein Arzt her!“
    Schlömmer zuckte mit den Schultern. Eines der Trommelweiber holte ein Handy hervor und begann zu telefonieren. Erst ein paar vergebliche Anrufe,

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