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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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dann ein Nicken. „Der Dr. Fischer kommt. Freud hat er keine.“
    Es dauerte kaum zehn Minuten, bis der Arzt eintraf. Er warf einen kurzen Blick auf Schiller. Dann zog er ihm Jacke und Hemd aus, bettete ihn in Seitenlage auf den Boden. „Nasses Handtuch!“ Nach ein paar Minuten richtete er sich auf. „So. Wach ist er. Zucker und Puls passt. Ich geb ihm noch eine Injektion für den Kreislauf. Ins Spital muss er nicht, glaub ich. Und die brauchen jedes Bett. Aber allein sollte man ihn nicht lassen. Es gibt ja Zimmer in der Traube. Kann jemand bei ihm bleiben?“
    „Ja, ich, meinetwegen!“
    „Das nenn ich wahre Freundschaft, Herr Käfer. Reden S’ ihm gut zu. Er wird zittern und nervös sein. Und beim Erbrechen sollt er halt nicht ersticken. Vielleicht hat er Halluzinationen. Sie wissen ja: weiße Mäuse oder andere herzige Viecher. Wenn Sie den Eindruck haben, dass es nicht besser, sondern schlechter wird mit ihm, rufen Sie mich an. Dann muss er ja doch zur Entgiftung. Alles klar?“
    Käfer nickte, der Arzt ging eilig davon.
    Zwei Trommelweiber trugen Schiller einen Stock höher und legten ihn aufs Bett. Er redete wirr und litt offenbar Höllenqualen. Daniel Käfer tat, was er konnte, umsorgte seinen Schützling, versuchte ihn zu beruhigen, erzählte ihm lange Geschichten und verbarg so gut es ging seine Angst. Gegen Mitternacht bemerkte Käfer, dass Schillers Augenlider schwer wurden. Er atmete gleichmäßiger, und als er endlich einschlief, schien er entspannt zu sein. Käfer legte sich auf das Bett neben ihm, blieb aber lange wach.
    Er musste dann doch geschlafen haben. Eine nasskalte Hand berührte seine Wange. „Herr Käfer!“ Er schaute in Schillers blasses Gesicht. Schweiß stand auf der Stirn.
    „Gut, dass Sie wach sind. Ist es sehr schlimm?“
    „Ich lebe, alles andere ist nicht wichtig. Wie soll ich Ihnen danken?“
    „Darüber reden wir später.“ Käfer rollte sich vom Bett und ging zum Fenster. „Die Nacht ist bald vorbei. Wie ist es denn so weit gekommen mit Ihnen?“
    Schillers Augenlider flatterten. Er wich Käfers Blick aus und zeigte auf den spitzen Hut, der neben dem Bett auf dem Boden lag. „Josef Fröhlich, der Hofnarr …“
    „Geht es Ihnen wieder schlechter?“
    „Nein …, ich wollte nur erklären. Fröhlich war ein Ausseer des 17. Jahrhunderts. Gelernter Müller, dann Spaßmacher und Taschenspieler auf Jahrmärkten und endlich kurzweiliger Rat am Hof des Kurfürsten von Sachsen in Dresden. Solche Hofnarren waren nicht gering zu achten. Sie wirkten nicht nur als Spaßmacher und Zauberer, sondern auch als Ratgeber und Kritiker. Fröhlich ist ein wohlhabender Mann geworden, seiner Ausseer Heimat stets verbunden.“
    „Wie schön für ihn. Daher also die Maske?“
    „Daher die Maske und daher der Suff.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Fröhlich war ein verdienstvoller und glücklicher Narr. Ich bin sein trauriges, nutzloses Zerrbild. In seiner Maske wollte ich mich wenigstens stilvoll zu Tode trinken, Herr Käfer – und gleichzeitig hoffte ich, dran gehindert zu werden, feig wie ich bin.“
    „Können Sie die Wahrheit ertragen, Herr Schiller?“
    „Es kann nicht schlimmer kommen.“
    „Sie sind ein blöder, rücksichtsloser Egoist.“
    „Ach ja?“
    „Sie können Ihr Selbstmitleid und Ihren Weltschmerz inszenieren, wie Sie wollen. Aber nicht auf Kosten anderer.“
    „Wie verstehe ich das?“
    „Ich kenne Menschen, die Sie schätzen, sogar mögen. Und es werden noch einige mehr sein, die ich nicht kenne. Wer zum Teufel gibt Ihnen das Recht, diesen Menschen weh zu tun?“ Käfer, unausgeschlafen und schlecht gelaunt, war ziemlich laut geworden. Schiller schwieg betroffen.
    „Kann ich Sie unbesorgt allein lassen, Sie Narr? Hier ist die Telefonnummer von Dr. Fischer – für alle Fälle.“
    Schiller griff mit zitternder Hand nach dem Papier.
    „Na dann, guten Morgen, Herr Schiller!“
    „Herr Käfer!“
    „Was denn schon wieder?“
    „Es
ist
ein guter Morgen.“
    Als Daniel Käfer endlich Sarstein erreicht hatte, war es Tag. Müde trat er ins Haus, wollte nach oben gehen, stutzte aber, als er Gelächter aus der Küche vernahm – ein wohl bekanntes Gelächter. Er öffnete die Tür. Hubert Schlömmer und Sabine saßen am Küchentisch, hatten gefüllte Schnapsgläser vor sich stehen und Spielkarten in den Händen. Noch befremdlicher war allerdings der Hut auf Sabines Kopf, offenbar Hubert Schlömmers Zweit-Hut. Käfer ging – von beiden unbemerkt – einen Schritt

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